Studie krempelt Vorstellung von der Pflanzenevolution um
Für das deutsche Wort „Moos“ gibt es gleich drei englische Übersetzungen – „hornwort“, „liverwort“ und „moss“. Die Angelsachsen beweisen damit ein gutes Gespür für die Verwandtschaftsverhältnisse im Pflanzenreich. „Was wir umgangssprachlich als 'Moos' bezeichnen, umfasst tatsächlich drei verschiedene Pflanzengruppen – die Hornmoose, Lebermoose und Laubmoose“, erklärt der Bonner Molekularbiologe Professor Dr. Volker Knoop. „Weil sie sich in ihrer Entwicklung sehr ähneln, laufen sie im Deutschen alle unter demselben Oberbegriff.“
Lange Zeit nahmen die Biologen an, dass diese Ähnlichkeit auch die evolutionsgeschichtliche Realität abbildet: Die ersten Landpflanzen hätten sich demnach vor einigen 100 Millionen Jahren in die Gruppe der Moose und die der Gefäßpflanzen gespalten, die sich fortan getrennt weiterentwickelt hätten. Doch eine aktuelle Studie stellt diese Theorie in Frage: „Wir haben Gensequenzen von verschiedenen Landpflanzen miteinander verglichen“, erklärt Knoop. „Danach scheinen die Hornmoose und die Gefäßpflanzen einen gemeinsamen Vorfahren zu haben. Dieser Zweig der Evolution hat sich vielleicht schon vor mehr als 400 Millionen Jahren zuerst von den Lebermoosen, etwas später von den Laubmoosen getrennt.“
Moose hinterlassen keine Spuren
Pflanzenforscher haben mit einer großen Schwierigkeit zu kämpfen: Von ihren Forschungsobjekten gibt es keine überzeugenden fossilen Überreste, aus denen sie ihre allerfrüheste Entstehungsgeschichte ablesen könnten. „Moose verfügen nicht in dem Maße über stabile Strukturen wie Gefäßpflanzen“, erläutert der Molekularbiologe. Farne, Blumen, Gräser oder Bäume haben Gefäße für den Wassertransport oder verholzen eben. Der glückliche Nebeneffekt für die Wissenschaft: Von ihnen gibt es dann jede Menge Fossilien, die ihre evolutive Herkunft belegen.
Moosforscher müssen sich dagegen auf die Untersuchung heute lebender Exemplare beschränken. Früher leiteten sie aus reinen Ähnlichkeiten mögliche Verwandtschaftsbeziehungen her. Heute dagegen werfen Evolutionsbiologen mehr und mehr einen Blick in das Erbgut ihrer Forschungsobjekte, die Genome. Das Prinzip ist einfach: Je weniger sich die Gene zweier Organismen voneinander unterscheiden, desto näher sind sie verwandt. In Realität ist es jedoch komplizierter: Das Forscherteam wertete für die Studie drei unterschiedliche genetische Datensätze aus. Die Stammbaum-Berechnung erfolgte ebenfalls mit unterschiedlichen Methoden. Doch das Ergebnis lohnt den Aufwand. Professor Knoop: „Die Daten deuten stark darauf hin, dass wir unsere bisherigen Vorstellungen von der Entstehungsgeschichte der Landpflanzen korrigieren müssen.“
Unterstützung erhält diese Theorie durch biochemische Untersuchungen aus Italien und England. Demnach können Hornmoose bestimmte Xylane produzieren – das sind lange Zuckerketten, die Gefäßpflanzen als eine Art Kitt zur Stabilisierung in ihre Zellwände einbauen. In Lebermoosen und Laubmoosen findet man sie nicht – ein weiterer Hinweis, dass der Stammbaum eventuell umgeschrieben werden muss.
Kontakt:
Prof. Dr. Volker Knoop
IZMB – Institut für Zelluläre und Molekulare Botanik der Universität Bonn
Abteilung Molekulare Evolution
Telefon: 0228/73-6466
E-Mail: volker.knoop@uni-bonn.de
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Weitere Informationen:
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