In Brennnesseln lauert eine neue Gefahr für Reben

Die Winden-Glasflügelzikade stammt aus Südosteuropa. Das Wärme liebende Insekt ist schon seit Jahren in den Weinbergssteillagen an Mosel und Mittelrhein heimisch. Bei den Winzern hier ist Hyalesthes obsoletus nicht gern gesehen, denn die Zikade ist Überträger für die Schwarzholzkrankheit der Rebe. Wegen des günstigen Mikroklimas waren bisher ausschließlich die Steillagen betroffen. Das ändert sich jedoch. „Wir registrieren seit einigen Jahren neue Ausbrüche in bisher nicht befallenen Regionen“, berichtet Dr. Michael Maixner von der der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA).

Der Leiter des Instituts für Pflanzenschutz in Weinbau in Bernkastel-Kues beobachtet intensiv den Flug der ausgewachsenen Zikaden, der jetzt in vollem Gange ist und knappe sechs Wochen anhält. An seinem Institut sind 1994 Phytoplasmen, das sind Bakterien, als Erreger der Schwarzholzkrankheit entdeckt worden. Die Krankheit wird durch unterschiedliche Typen von Phytoplasmen hervorgerufen. Die BBA-Forscher erkannten, dass die Zikaden die Krankheit von Ackerwildkräutern auf die Reben übertragen. Bisher galt in Deutschland die Ackerwinde als häufigste Infektionsquelle. Nun breitet sich die Winden-Glasflügelzikade aber zunehmend auf Brennnesseln aus. Das führt dazu, dass jetzt ein neuer Schwarzholz-Typ die Reben infiziert.

Die Wissenschaftler aus Bernkastel sind derzeit in den Weinbergen unterwegs, um Material zu sammeln. „Wir haben festgestellt, dass wieder Brennnesseln an neuen Standorten besiedelt worden sind“, berichtet Dr. Maixner. Er bittet die Winzer, von der Schwarzholzkrankheit befallene Rebflächen mit Brennnesseln im Institut zu melden. Durch molekulargenetische Untersuchungen der gefangenen Zikaden kann im Labor der Typ des Krankheitserregers bestimmt werden. „Dort, wo der neuartige Brennnessel-Phytoplasmatyp auftritt, sollten diese Unkräuter in den Rebflächen bekämpft werden“, rät Maixner. Die Brennnesseln sollten jedoch keinesfalls vor Mitte August entfernt werden, warnt der BBA-Experte, da sonst die Zikaden auf die Reben überwechseln und das Problem verschärft wird.

Die Schwarzholzkrankheit ist ein Problem mit europäischer Dimension. Deshalb kooperieren die Wissenschaftler der betroffenen Weinbaugebiete. Gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich und Italien erarbeiten die Bernkasteler praxisgerechte Lösungen für den Weinbau. Erst im Juni waren australische Wissenschaftler am Institut, um sich über neueste Erkenntnisse auf dem Gebiet der Phytoplasmen zu informieren. „Die Weinpflanzungen in den Steillagen sind ein ideales Terrain für Versuche. Denn schon jetzt treten hier Rebschutzprobleme auf, die bei fortschreitendem Klimawandel in allen Weinbaulagen zu erwarten sind“, erklärt der BBA-Wissenschaftler die Bedeutung der Forschungsarbeiten. Zusammen mit der Universität in Mainz untersuchen sie aktuell, woher die Winden-Glasflügelzikade in die deutschen Weinbaugebiete eingewandert ist.

Info zur Schwarzholzkrankheit (wiss. Bois noir):
Gelbe, gerollte Blätter, unverholzte, später schwarze Triebe sowie schrumpfende Trauben sind das Kennzeichen der Schwarzholzkrankheit. Erreger der Krankheit ist ein Bakterium, ein so genanntes Phytoplasma.
Kontakt:
Dr. Michael Maixner
Institut für Pflanzenschutz im Weinbau der BBA
Brüningstr. 84, 54470 Bernkastel-Kues
Tel.: 06531 / 971810
E-Mail: weinbau@bba.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer