CD22: Ein Hemmstoff von B-Zellen mit Vorliebe für Zucker

Wenn bestimmte Immunzellen allzu heftig stimuliert werden, dann können sich Autoimmunkrankheiten oder Krebsleiden, so genannte Lymphome, entwickeln. Um das zu verhindern, tragen die Zellen Proteine auf der Oberfläche, die ihre Immunantwort abschwächen. Der Immunologe Lars Nitschke von der Uni Würzburg untersucht die Funktion eines dieser Proteine und dessen Regulation durch die Bindung an körpereigene Zuckermoleküle.

B-Lymphozyten sind die Zellen des Immunsystems, die Antikörper gegen Krankheitserreger produzieren. Diese Abwehrstoffe sind zunächst auf der Oberfläche der B-Zellen gebunden, wo sie durch Bestandteile von Mikroorganismen stimuliert werden müssen. Auf ihrer Außenhaut tragen die B-Lymphozyten noch weitere Proteine, die so genannten hemmenden Ko-Rezeptoren: Sie verhindern, dass die Zellen bei ihrer Abwehrarbeit zu sehr in Fahrt kommen.

Der wichtigste „Bremser“ ist das Protein CD22. In der Arbeitsgruppe von Nitschke wurden in den vergangenen Jahren genetisch veränderte Mäuse hergestellt, denen genau dieses Protein fehlt. Dadurch konnten die Forscher seine physiologische Rolle aufklären: Ohne CD22 werden die B-Zellen stärker als normal über die zellgebundenen Antikörper stimuliert. Das hat Auswirkungen auf ihre Reifung und die Immunantwort.

CD22 tritt auch in Kontakt mit körpereigenen Zuckermolekülen, den so genannten Sialinsäuren. Diese kommen bei Menschen und Säugetieren auf der Oberfläche vieler Zellen vor. Die Bindung an diese Zucker ermöglicht den B-Lymphozyten die Kontaktaufnahme mit anderen Zellen und steuert ihre Wanderung im Gewebe. Zum Beispiel bewirkt sie, dass die B-Zellen aus den Blutgefäßen ins Knochenmark eindringen können, wie die Würzburger Wissenschaftler herausgefunden haben.

„Die Bindung an Sialinsäuren reguliert aber auch die Hemmung der B-Zellen“, so Nitschke. Darum soll nun in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt die zuckerbindende Funktion von CD22 und ihre Auswirkung auf das Immunsystem untersucht werden.

CD22 gehört zu einer Proteinfamilie namens „Siglecs“. Die Mitglieder dieser Familie finden sich auch auf anderen weißen Blutzellen, aber über ihre Funktion ist noch wenig bekannt. Sie alle binden Sialinsäuren und wirken hemmend auf die Zellen. Da Sialinsäuren im Menschen häufig vorkommen, bei Mikroorganismen aber selten sind, könnte es sich bei ihnen um Strukturen handeln, mit deren Hilfe das

Immunsystem körpereigene Bestandteile als solche erkennt. Krankheitserreger, die diese Strukturen nicht besitzen, würden folglich als fremd eingestuft und bekämpft.

In Zusammenarbeit mit dem Forscher Paul Crocker aus Dundee (Großbritannien) will die Gruppe von Lars Nitschke die Funktion der „Siglecs“ im Immunsystem untersuchen. Dafür sollen genetisch veränderte Mäuse eingesetzt werden, bei denen ein Siglec-Gen ausgeschaltet wurde. Auch dieses Vorhaben ist Teil des von der DFG geförderten Projekts.

Weitere Informationen: PD Dr. Lars Nitschke, T (0931) 201-49957, Fax (0931) 201-49243, E-Mail: nitschke@vim.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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