Freiflächen durch Stadtumbau – Folgt nach dem Abriss die "grüne Stadt"?

Zurück bleiben viele freie Flächen und die Frage, wie diese künftig genutzt werden können. Das Für und Wider von immer mehr Grünflächen in von Bevölkerungsrückgang und Schrumpfung betroffenen Städten untersuchte Stefanie Rößler vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR).

Rund 85 % aller Rückbauflächen aus dem Programm „Stadtumbau Ost“ werden derzeit nicht wieder baulich genutzt. „Der Umgang mit den frei bleibenden Flächen ist in der bisherigen Stadtumbaudebatte eher vernachlässigt worden“, sagt Stefanie Rößler, Wissenschaftlerin im IÖR. Die Landschaftsarchitektin untersuchte am Beispiel der Städte Leipzig, Halle und Chemnitz die Chancen und Risiken sowie Herausforderungen von mehr Grün in der Stadt. Alle drei Städte sind von Stadtumbau betroffen. Neue Freiräume entstanden sowohl in randstädtischen Plattenbaugebieten als auch in innerstädtischen Altbauquartieren.

Welche Funktion und Gestalt die frei gewordenen Flächen im künftigen Stadtgefüge haben sollen, gehört zu den dringendsten Problemlagen gegenwärtiger Stadtentwicklung in schrumpfenden Städten. Ideen und Geld für grüne Nachnutzungen fehlen oft. So soll neben der Aufwertung des Wohnumfelds nach Möglichkeit auch eine Wertschöpfung auf der Abrissfläche entstehen. „Die Menschen werden sich an neue Nutzungsformen und manchmal auch einfach an verwilderte Brachen gewöhnen müssen“, stellt Stefanie Rößler fest. Schon heute haben Grünverwaltungen mit Kürzungen ihres Budgets zu kämpfen, obwohl sie gleichzeitig für immer mehr Flächen zuständig sind. Das wirkt sich langfristig auch auf die Qualität, Nutzbarkeit und schließlich die Akzeptanz von neu entstandenen Grünflächen aus.

Dabei eröffnen neue Freiflächen durchaus auch Chancen für die Städte: Gepflegte und landschaftsarchitektonisch hochwertige Grünflächen gelten als wichtiger Standortfaktor und tragen damit zur Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit einer Stadt bei. Insbesondere in bisher sehr dicht besiedelten Innenstädten und Altbauquartieren bietet mehr Grün mehr Lebens- und Umweltqualität. Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle, die Grünflächen bei der Anpassung der Städte an die Folgen des Klimawandels spielen werden. Sie sorgen für Abkühlung – ein wichtiger Aspekt bei der erwarteten Zunahme von Sommerhitze und Trockenheit. Städtisches Grün bietet zudem Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere und trägt dadurch ganz erheblich zum Erhalt biologischer Vielfalt bei. Allerdings sind über die Hälfte aller grünen Nachnutzungsprojekte aufgrund rechtlicher und finanzieller Hindernisse nur temporärer Natur. Die vermeintlichen Qualitäten können so auch schnell wieder verschwinden.

„Grundsätzlich kann es leicht zu einer Gratwanderung kommen“, sagt Stefanie Rößler. „Auf der einen Seite können die Freiräume den Stadtraum bereichern, Voraussetzung sind jedoch schlüssige Freiraumkonzepte und der Mut und Wille zur dauerhaften Sicherung dieser Freiräume. Fehlt dies oder nehmen die Freiräume Überhand, entsteht schnell der Eindruck von Entdichtung und Niedergang.“ Hinzu kommt, dass die Herausforderungen der Nachnutzung von Rückbauflächen in den einzelnen Stadtgebieten sehr unterschiedlich ausfallen. Große Unterschiede hinsichtlich Flächengröße, der Bau- und Verfügungsrechte, der Eigentümerstrukturen und Finanzierungsmöglichkeiten zeigen sich jeweils zwischen Plattenbaugebieten am Stadtrand und innerstädtischen Altbauquartieren. Die Bereitschaft der Flächeneigentümer zur Umsetzung und Finanzierung freiraumplanerischer Konzepte hängt stark von der Nachfrage und damit Zukunftsfähigkeit der angrenzenden Wohnungsbestände und deren Eigentümerstruktur ab.

Insgesamt wurde bereits eine Reihe von Projekten in den untersuchten Städten auf den Weg gebracht. Beispielsweise wird auf ehemaligen Plattenbaustandorten in Halle inzwischen Biomasseanbau betrieben. In Leipzig finden sich zahlreiche Beispiele für die Schaffung von Mieter- und Anwohnergärten. Für die Großwohnsiedlung Halle-Silberhöhe wurde sogar das Leitbild der „Waldstadt“ formuliert. Dort werden große Aufforstungsflächen der Natur zurückgegeben. Ob Wald, Landwirtschaft, Garten oder Wildnis – die Zukunftsfähigkeit der einzelnen Projekte bleibt abzuwarten. Nicht hinwegtäuschen können diese Projekte über die vielen Flächen, auf denen wenig oder gar nichts passiert. Über kurz oder lang erobert sich die Natur diese Flächen zurück. Ob dies dann als Qualität und Zugewinn wahrgenommen wird, wird die Zukunft zeigen, meint Stefanie Rößler.

Ansprechpartnerin:
Stefanie Rößler, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung
Tel.: + 49 (0) 351 463 42 426, E-Mail: S.Roessler@ioer.de

Media Contact

Anja Petkov idw

Weitere Informationen:

http://www.ioer.de

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