Medikamenten frei setzende Stents nicht gefährlicher als unbeschichtete Metall-Stents

Stents sind kleine Gitterröhrchen, die verengte Herzkranzgefässe offen halten sollen. Zwei Typen sind heute in Gebrauch: Unbeschichtete Metallstents und solche, die Medikamente frei setzen. Letztere sind kürzlich aber mit einem erhöhten Sterberisiko und vermehrten Thrombosen in den Stents in Verbindung gebracht worden.

Nun gibt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Peter Jüni und Christoph Stettler von der Universität Bern Entwarnung. Mehr noch: Stents, die den Wirkstoff Sirolimus frei setzen, sind mit grosser Wahrscheinlichkeit anderen Stents klinisch überlegen, schreiben die Forschenden in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift „The Lancet“.

Wenn die Herzkranzgefässe immer enger werden, leidet die Durchblutung des Herzens. Reicht die medikamentöse Behandlung nicht mehr aus oder erleidet ein Patient einen Herzinfarkt, wird die Engstelle mit einem kleinen Ballon ausgedehnt. Danach wird ein so genannter Stent eingesetzt – ein Gitterröhrchen, das die Gefässwand stützt, damit sich die Arterie nicht wieder verengt.

Allerdings kommt es bei unbeschichteten Metallstents in etwa einem Fünftel der Fälle trotzdem wieder zu einem Gefässverschluss. Der Grund: An der Einsatzstelle des Stents vermehrt sich Gewebe und verengt die Arterie erneut. Daher wurden Stents entwickelt, die Medikamente frei setzen. Diese sollen die Neubildung von Gewebe hemmen. Zwei Wirkstoffe haben sich dabei durchgesetzt: das Immunsuppressivum Sirolimus und das Krebstherapeutikum Paclitaxel.

Im letzten Jahr brachten mehrere Studien die Medikamente frei setzenden Stents mit einem erhöhten Risiko für Stent-Thrombosen (Blutgerinnsel im Stent-Bereich) und Herzinfarkte sowie mit einer grösseren Sterblichkeit in Verbindung. Aus diesem Grund hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Peter Jüni und Christoph Stettler vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), der Clinical Trials Unit (CTU Bern) und den Abteilungen für Kardiologie und Diabetologie des Inselspitals und der Universität Bern erstmals alle Studien, die mindestens zwei der drei Stent-Typen miteinander vergleichen, ausgewertet. Fazit: Sirolimus-Stents sind Paclitaxel- und unbeschichteten Stents mit grosser Wahrscheinlichkeit klinisch überlegen.

Im Detail lassen sich die Resultate folgendermassen zusammenfassen: Die Gesamtsterblichkeit und die kardiale Sterblichkeit (u.a. Herzinfarkt, tödliche Rhythmusstörung, etc.) waren bei den drei Stent-Typen ungefähr gleich. „Das bedeutet, dass diese beiden Medikamente frei setzenden Stents insgesamt nicht gefährlicher sind als reine Metall-Stents“, sagt Christoph Stettler. Auch bei der Gesamtrate der Stent-Thrombosen unterscheiden sich die drei Stent-Typen nicht signifikant. Allerdings treten bei Paclitaxel-Stents späte Stent-Thrombosen häufiger auf als bei Sirolimus- und bei unbeschichteten Stents.

Bei beiden Medikamenten-Stents war hingegen seltener ein zweiter Eingriff nötig als bei unbeschichteten Stents. Der Effekt ist bei Sirolimus-Stents ausgeprägter als bei Paclitaxel-Stents. Mit Sirolimus-Stents lässt sich im Vergleich zu unbeschichteten Stents während vier Jahren ein Zweiteingriff pro sechs Patienten verhindern. Zudem schnitten die Sirolimus-Stents bei der Herzinfarktrate besser ab als die anderen beiden Typen: Dank Sirolimus-Stents lässt sich während vier Jahren etwa ein Herzinfarkt pro 100 behandelte Patienten verhindern. „Wir kommen deshalb zum Schluss, dass Sirolimus freisetzende Stents den beiden anderen Stenttypen klinisch überlegen sind“, sagt Peter Jüni.

In die Meta-Analyse wurden alle bisher publizierten randomisierten Studien eingeschlossen, die entweder Medikamenten frei setzende und unbeschichtete Stents oder Sirolimus- und Paclitaxel-Stents miteinander verglichen hatten. 38 Untersuchungen mit insgesamt 18'023 Patienten erfüllten die Kriterien. Ausgewertet wurden die Daten mit Hilfe einer neuartigen statistischen Methode, einer sogenannten Netzwerk-Meta-Analyse. Im Vergleich zu früheren Analysen konnten deutlich mehr Patienten in die Analyse eingeschlossen werden, was die statistische Präzision der Resultate massgeblich verbesserte.

Die Studie ist in der neuesten Ausgabe von „The Lancet*“ erschienen. Finanziert wurde die Arbeit hauptsächlich durch das Programm für Sozialmedizin-, Präventions- und Epidemiologie-Forschung (PROSPER) des Schweizerischen Nationalfonds.

* The Lancet (2007), Band 370, S. 937-948

Kontakt:
PD Dr. med. Peter Jüni
Universität Bern
Institut für Sozial- und Präventivmedizin & CTU Bern
Finkelhubelweg 11
CH-3012 Bern
Tel: +41 (0)31 631 33 78
E-Mail: juni@ispm.unibe.ch

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