Kampf gegen Grippe & Co. per Computer

Internationaler Kongress zur Bioinformatik in der Virenforschung im Forschungszentrum caesar


Seit der ersten erfolgreichen Impfung durch den Arzt Edward Jenner im Jahr 1798 hat die Medizin eine Reihe vorher tödlicher Infektionen besiegt, darunter die Viruserkrankungen Pocken und Polio. Aktuelle Beispiele zeigen, dass mit diesen „Schlachten“ keineswegs der Krieg gegen Viruserkrankungen gewonnen ist: HIV ist zu einem der größten globalen Killer gewachsen; die drohende weltweite Grippeepidemie lässt Erinnerungen an die verheerende „Spanische Grippe“ von 1918 wach werden, die mehr Leben kostete als der Erste Weltkrieg; Hepatitis-Infektionen mit langsamerem, aber oft tödlichem Verlauf breiten sich immer weiter aus. Auf dem internationalen Workshop „Bioinformatics for Viral Infections“, der vom 21. bis 23.9. im Forschungszentrum caesar in Bonn stattfindet, tauschen sich Mediziner, Virologen und Bioinformatiker aus aller Welt über neue Methoden zur Bekämpfung dieser Krankheiten aus.

Einer der wichtigsten Gründe für die fortdauernde Bedrohung durch Viren ist deren Wandelbarkeit, die häufig zu Resistenzen gegen Medikamente führt oder Impfungen unwirksam macht. Doch mit modernen biologischen Methoden bleibt die Medizin den Viren auf den Fersen. Unterstützt wird sie dabei von der noch jungen Disziplin Bioinformatik, die in den großen Mengen biologischer Daten medizinisch nutzbare Zusammenhänge aufdeckt, beispielsweise zwischen Virus-Varianten und Wirkstoff-Resistenzen. Diese Erkenntnisse werden gezielt für die Therapie und die Entwicklung neuer Medikamente eingesetzt.

Ein Beispiel: Bei vielen HIV-Patienten werden nach längerer Behandlung die Viren gegen den „Medikamentencocktail“ resistent. In solchen Fällen helfen den Ärzten mit Computern abgeleitete statistische Modelle, die die Bedeutung von Mutationen im Virusgenom für die Medikamentenresistenz erfassen. Beim gleichzeitigen Auftreten mehrerer Mutationen gibt es dabei komplexe Wechselspiele, die sich nur mit Computerhilfe analysieren lassen. Diese Bioinformatikmethoden basieren auf einer Datenbank gemessener Resistenzwerte und werden in Kooperation zwischen der Universität Köln, dem Forschungszentrum caesar, der Fachhochschule Bingen und dem Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken entwickelt. Sie werden bereits in der Praxis angewendet.

Die Entwicklung neuer Therapien ist ein besonders wichtiges Einsatzgebiet der Bioinformatik. Ihre Anwendungen reichen von der Identifizierung molekularer Angriffspunkte für Wirkstoffe über die computergestützte Entwicklung neuer Medikamente bis hin zur patientenspezifischen Optimierung von Therapien gegen resistente Viren. Auch die Ausbreitung von Infektionen kann mit bioinformatischen Methoden simuliert werden.

Der Workshop „Bioinformatics for Viral Infections“ wird gemeinsam ausgerichtet von zwei großen Forschungsnetzen der Europäischen Union, so genannten Networks of Excellence. Das Netz Biosapiens mit 25 Partnern in 14 Europäischen Ländern arbeitet daran, Beziehungen zwischen menschlichem Genom und Krankheiten aufzudecken. Dazu werden Bioinformatikmethoden verwandt. Das Netz Virgil (vigilance against viral resistance) mit über 50 Partnern aus 12 Ländern untersucht das Phänomen der Virusresistenzen mit experimentellen und computergestützten Methoden. Auf dem Workshop tauschen sich beide Netzwerke zum ersten Mal intensiv aus. Ziel des Workshops ist eine Bestandsaufnahme des weltweiten Kenntnisstandes und die Diskussion gemeinsamer Forschungsperspektiven.

Die Organisatoren der Veranstaltung sind Prof. Dr. Daniel Hoffmann, caesar und FH Bingen und Prof. Dr. Thomas Lengauer, Max-Planck-Institut für Informatik, Saarbrücken.

Forschungszentrum caesar, Frau Francis Hugenroth
Ludwig-Erhard-Allee 2, 53175 Bonn
Telefon: 0228 / 96 56-135, Fax: 0228 / 96 56-111
E-Mail: hugenroth@caesar.de

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Francis Hugenroth idw

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