Stoffwechsel-Innovation in der Evolution von E. coli entstand durch eine einzige Genübertragung

Zwischen E. coli-Vor- und Nachfahren findet man oft zusätzliche Gene (rot). Daraus kann man Stoffwechselnetzwerke rekonstruieren und damit die Umgebungen, in denen Vor- und Nachfahre überleben. HHU / Esther Sundermann

Das Bakterium E. coli weist zwischen verschiedenen Stämmen eine große genetische Bandbreite auf, die durch Gentransfer mittels Viren zustande kommt. Dr. Tin Yau Pang und Prof. Dr. Martin Lercher von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) identifizierten anhand spezifischer Stoffwechselgene die Umgebungen, in denen verschiedene E. coli-Varianten und ihre Vorfahren leben können.

In der aktuellen Ausgabe von PNAS berichten sie, wie sie daraus über 3.000 Stoffwechsel-Innovationen abgelesen haben. Jede einzelne Innovation kam durch die Übertragung eines einzigen, kleinen Genomabschnitts von einem anderen E. coli-Stamm zustande.

Bakterien passen sich häufig neuen Umgebungen an, indem sie Gene von anderen Bakterienstämmen kopieren. Dieser Vorgang wird auch als horizontaler Gentransfer bezeichnet, der häufig durch Viren ausgelöst wird. Ein Paradebeispiel ist das Bakterium Escherichia coli (kurz E. coli), welches gewöhnlich im Darm von Säugetieren lebt, aus dem aber auch immer wieder gefährliche Krankheitserreger entstehen. Verschiedene Stämme von E. coli unterscheiden sich oftmals stark in ihrer genetischen Ausstattung.

In einer früheren Studie in der Fachzeitschrift Scientific Reports haben Dr. Tin Yau Pang und Prof. Dr. Martin Lercher vom Institut für computergestützte Zellbiologie der HHU die Genome von 53 E. coli-Stämmen miteinander verglichen und daraus die Genome ihrer Vorfahren rekonstruiert. Nun haben die beiden Forscher auf dieser Grundlage das Stoffwechselnetzwerk dieser Vorfahren rekonstruiert.

Dazu haben sie zunächst eine „Übersetzungstabelle“ erstellt, die den von ähnlichen Genen kodierten Eiweißen ähnliche Aufgaben im Stoffwechsel zuweist. Durch Vergleich dieser Tabelle mit den Genen in den rekonstruierten Genomen konnten sie aufschlüsseln, welche enzymatischen oder Transport-Reaktionen in den einzelnen Stämmen stattfinden konnten.

Die daraus resultierenden Stoffwechselmodelle geben Aufschluss darüber, in welchen Umgebungen die spezifischen Bakterien leben konnten und von welchen Stoffen sie sich ernährten.

Aus dieser Betrachtung ergab sich, dass in über 3.000 Fällen ein Bakterienstamm in einer Umgebung überleben konnte, die für dessen unmittelbaren Vorfahren noch lebensfeindlich gewesen wäre oder die dessen Wachstum zumindest stark eingeschränkt hätte.

„Die große Überraschung unser Studie war, dass für diese Stoffwechselinnovation, also die Anpassung an eine neue Umgebung, lediglich ein einzelner, kurzer Abschnitt des Genoms durch einen Transfer verändert werden musste“, so Prof. Lercher. „In keinem Fall waren mehrere unabhängige Transfers nötig: Bei einem Generalisten wie E. coli werden große Wirkungen stets mit kleinen Änderungen erzielt.“

Die Ergebnisse zeigen, warum E. coli so enorm anpassungsfähig ist, was sich immer dann zeigt, wenn aus dem eigentlich harmlosen Darmbakterium durch eine kleine Veränderung in seinem Erbgut ein Krankheitserreger entsteht.

Tin Yau Pang & Martin J. Lercher, Each of 3,323 metabolic innovations in the evolution of E. coli arose through the horizontal transfer of a single DNA segment, PNAS (2018).
DOI 10.1073/pnas.1718997115

Media Contact

Dr.rer.nat. Arne Claussen idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.hhu.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer