Spin-Tanz im Terahertz-Takt

Physikern einer europäischen Forschungskooperation – darunter Forscher der Universität Konstanz – ist es gelungen, die Bewegung kleinster Elementarmagnete, die so genannten „Spins“ von Elektronen, mit bisher unerreichter Geschwindigkeit und Präzision zu kontrollieren.

Dieses neue Verfahren könnte langfristig die Datenspeicher der Zukunft deutlich kompakter und schneller werden lassen. Möglich wird das Verfahren durch Terahertz-Impulse – Laserlichtblitze, deren Magnetfeldkomponente direkt auf die Spins einwirkt. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals „Nature Photonics“ stellen die Forscher ihre Erkenntnisse vor.

Der Elektronenspin kann als Pirouette des Elementarteilchens um die eigene Achse verstanden werden. Da diese Bewegung mit einem elektrischen Stromfluss einhergeht, weist das Elektron magnetische Eigenschaften wie eine winzige Kompassnadel auf. In Computerfestplatten summiert sich eine astronomische Anzahl dieser Spins zu einem messbaren magnetischen Signal und repräsentiert je nach Orientierung den Binärwert „0“ oder „1“, also ein einzelnes Bit.

Ähnlich wie eine Kompassnadel durch das Erdmagnetfeld ausgerichtet wird, kann nun die Orientierung der Spins anhand von Magnetfeldern manipuliert werden. Dazu werden in einer Festplatte einfache Spulen verwendet. Diese sind aber nicht beliebig schnell schaltbar und beschränken damit die Lese- und Schreibgeschwindigkeit.

Wissenschaftler der Universität Konstanz, der Universität Bonn, des Instituts für Atom- und Molekularphysik in Amsterdam und des Fritz Haber-Instituts in Berlin haben nun eine Möglichkeit gefunden, die Bewegungen der Spins mithilfe der Magnetfelder von Laserimpulsen deutlich schneller und präziser zu kontrollieren. Die Forscher setzen eine hochintensive Lichtquelle ein, die jüngst am Konstanzer Centrum für Angewandte Photonik (CAP) entwickelt wurde, um starke Magnetimpulse im Terahertzbereich zu erzeugen. Die Terahertz-Impulse sind derart kurz, dass sie nur aus einer einzelnen Lichtschwingung bestehen.

Das magnetische Feld wird dabei so groß, dass es im Experiment mit Nickeloxid die Elektronen aus ihren ursprünglichen Drehrichtungen stößt. Dadurch geraten die mikroskopischen Magnete wie kleine Kreisel ins Schlingern. Diese Bewegung vollzieht sich unvorstellbar schnell mit dem millionfachen einer Million Umdrehungen pro Sekunde – dies ist um den Faktor 1000 schneller als die Ergebnisse mit bisher üblichen Spulen.

Den Forschern ist es gelungen, diese Schwingungen mit einer extremen Zeitlupenkamera in Echtzeit zu verfolgen. Darüber hinaus können sie sogar gezielt in das atomare Geschehen eingreifen: Beispielsweise können sie die zuvor angestoßene Präzession der Spins mit einem maßgeschneiderten Laserimpuls abrupt innerhalb von nur einer billionstel Sekunde stoppen.

Neben möglichen technischen Anwendungen betonen die Wissenschaftler vor allem die Bedeutung ihrer Experimente für die Grundlagenforschung. So lassen sich mit der neuen Technik Spins auf kürzesten Zeitskalen und in praktisch allen Materialien erforschen, die für Terahertz-Strahlung durchlässig sind.

Originalpublikation:
T. Kampfrath, A. Sell, G. Klatt, A. Pashkin, S. Mährlein, T. Dekorsy, M. Wolf, A. Leitenstorfer und R. Huber, „Coherent terahertz control of antiferromagnetic spin waves“, Nature Photonics, DOI 10.1038-NPHOTON.2010.259 (2010).
Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
Telefon 07531 / 88-3603
E-Mail: kum@uni-konstanz.de
Dr. Tobias Kampfrath
Fritz Haber-Institut Berlin
Department of Physical Chemistry
E-Mail: kampfrath@fhi-berlin.mpg.de
Dr. Alexander Sell
Universität Konstanz
Fachbereich Physik
Universitätsstraße 10
78464 Konstanz
Telefon: 07531 / 88-3840
E-Mail: Alexander.Sell@uni-konstanz.de
Prof. Dr. Thomas Dekorsy
Universität Konstanz
Moderne Optik und Photonik
Universitätsstraße 10
78464 Konstanz
Telefon: 07531 / 88-3820
E-Mail: Thomas.Dekorsy@uni-konstanz.de
Prof. Dr. Rupert Huber
Universität Konstanz
Fachbereich Physik
Universitätsstraße 10
78464 Konstanz
Telefon: 07531 / 88-4680
E-Mail: Rupert.Huber@uni-konstanz.de

Media Contact

Julia Wandt idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Atomkern mit Laserlicht angeregt

Dieser lange erhoffte Durchbruch ermöglicht neuartige Atomuhren und öffnet die Tür zur Beantwortung fundamentaler Fragen der Physik. Forschenden ist ein herausragender Quantensprung gelungen – sprichwörtlich und ganz real: Nach jahrzehntelanger…

Wie das Immunsystem von harmlosen Partikeln lernt

Unsere Lunge ist täglich den unterschiedlichsten Partikeln ausgesetzt – ungefährlichen genauso wie krankmachenden. Mit jedem Erreger passt das Immunsystem seine Antwort an. Selbst harmlose Partikel tragen dazu bei, die Immunantwort…

Forschende nutzen ChatGPT für Choreographien mit Flugrobotern

Robotik und ChatGPT miteinander verbinden… Prof. Angela Schoellig von der Technischen Universität München (TUM) hat gezeigt, dass Large Language Models in der Robotik sicher eingesetzt werden können. ChatGPT entwickelt Choreographien…

Partner & Förderer