Auf Darwins Spuren

Darwins Evolutionstheorie ist beileibe keine historische Forschung – es ist eines der grundlegenden Konzepte in der Biologie und hat nicht nur Genetik, Ökologie und Verhaltensforschung maßgeblich beeinflusst, sondern auch über die Biologie hinaus andere wissenschaftliche Disziplinen befruchtet. Wie sieht Evolutionsforschung heute aus? Max-Planck-Wissenschaftler sprechen mit Wissenschaftsredakteuren der Süddeutschen Zeitung über die Geheimnisse im Erbgut des Fadenwurms sowie die erste Version des Neandertalergenoms. Sie erläutern, wie Enzyme nach Darwinischen Prinzipien kreiert werden und gehen im Gespräch den Fragen nach, warum sich kooperatives Verhalten im Zuge der Evolution entwickelt hat und Altern aus evolutionsbiologischer Sicht eigentlich ein Paradox ist.

Vor 200 Jahren wurde Charles Darwin geboren, vor 150 Jahren begründete er mit der Veröffentlichung seines Hauptwerkes On the Origins of Species (Über die Entstehung der Arten) die moderne Evolutionstheorie. Darwins Konzept der zufälligen Veränderlichkeit der Arten und der natürlichen Auswahl der Individuen, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind, wurde zu einem Grundpfeiler der Biologie. Tatsächlich birgt jedes biologische Problem eine Evolutionsfrage: Warum gibt es das? Welchen Überlebensvorteil brachte sein Erwerb?

Trotzdem, nach wie vor sind viele Fragen offen, das Ende der Evolutionsforschung noch lange nicht erreicht. Die moderne Genetik hat gezeigt, dass es eine enorme Zahl veränderter Gene gibt. Doch welche dieser Mutationen sind „evolutionäres Hintergrundrauschen“, welchen liegt eine Selektion zugrunde? Fünf Vorträge der Reihe „Im Licht der Evolution betrachtet“ bieten die Gelegenheit, Einblick zu nehmen in die Vielfalt der modernen Evolutionsforschung und laden ein zu einer anschließenden Diskussion mit den jeweiligen Referenten. Die Podiumsgespräche führen Christina Berndt und Patrick Illinger von der Süddeutschen Zeitung.

Die Vortragsreihe beginnt am 17. März mit einem Vortrag von Ralf J. Sommer, Direktor am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen. Sein Forschungsobjekt sind Fadenwürmer, sein wissenschaftlicher Fokus „Der molekulare Baukasten der Evolution“: Wie ist es möglich, dass aus einer einzigen Zelle, der Eizelle, ein komplexer Organismus hervorgeht? Woher weiß eine Zelle, welchem Gewebe sie zugeordnet ist? Wie wird sichergestellt, dass bestimmte Organe nur an bestimmten Positionen erscheinen, die Augen also etwa immer am Kopf und nicht am anderen Ende des Körpers? Mittlerweile ist klar, dass sich zahlreiche Gene, die für die Entwicklung eines Organismus verantwortlich sind, im Laufe der Evolution kaum verändert haben. Wie sich dennoch eine so große Arten- und Formenvielfalt herausbilden konnte, ist Gegenstand Sommers Forschungsarbeiten an der Grenze zwischen Populationsgenetik, Entwicklungsbiologie und Ökologie.

Am 31. März begibt sich Svante Päabo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig „Auf Spurensuche im Genom unserer nächsten Verwandten“. Erst vor Kurzen hat der Molekularbiologe mit seinem Team eine erste Version des Neandertaler-Genoms vorgelegt. Ein Vergleich dieser Sequenzen mit denen von Mensch und Schimpanse soll dabei Antworten auf eine der spannendsten Fragen der Menschheitsgeschichte liefern: Welche genetischen Veränderungen haben uns so erfolgreich gemacht und dazu geführt, dass sich der moderne Mensch vor etwa 100.000 Jahren von Afrika ausgehend über die ganze Welt ausbreiten konnte?

Während Darwin die Evolutionstheorie aus Naturbeobachtungen ableitete, übertragen Forscher die Darwinischen Prinzipien mittlerweile in die Anwendung und betreiben tatsächlich „Evolution im Reagenzglas“. Manfred Reetz, Professor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim, forscht an Enzymen – jene Biokatalysatoren, die praktisch alle Stoffwechselvorgänge in unserem Körper beeinflussen. Die Natur hat ein reichhaltiges Sortiment an Katalysatoren geschaffen, aus dem sich nun auch die Chemiker bedienen möchten. Ihr Ziel: die Entwicklung maßgeschneiderter Katalysatoren für Anwendungen in der modernen Chemie. Wie er dabei das Konzept der gelenkten Evolution selektiver Enzyme einsetzt, erklärt er am 20. April im Max-Planck-Haus in München.

Der vierte Vortrag von Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön beschäftigt sich am 6. Mai mit dem Thema „Reputation – vom Nutzen des guten Rufs“. Viele Probleme der Menschheit sind Kooperationsprobleme. Sie entstehen immer, wenn es einen Konflikt zwischen dem individuellen Interesse und dem Gemeinwohl gibt. Für diese „Tragödie des Gemeinwohls“ (Tragedy of the Commons) finden sich viele Beispiele: Fischgründe, Krankenversicherungssysteme oder das globale Klima – immer wenn eine Gemeinschaftsressource frei zugänglich ist, wird sie übernutzt und bricht zusammen. Unter welchen Bedingungen profitiert der Einzelne, wenn er sich dennoch kooperativ verhält? Einen unterwartet starken Einfluss auf das eigene Verhalten hat nach Milinski offenbar der „Gute Ruf“, die eigene Reputation.

Das Geheimnis ewiger Jugend fasziniert die Menschen schon seit langer Zeit – aber tatsächlich altern wir und dieser Prozess ist nicht umkehrbar, auch wenn sich das menschliche Höchstalter immer weiter nach oben verschiebt. Versucht man das Altern mit den Gesetzen der Evolution in Einklang zu bringen, offenbart sich nach Annette Baudisch vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock zunächst ein Paradox: Da die Schlüsselprozesse der Evolution – Sterblichkeit und Fruchtbarkeit – durch Altern negativ beeinflusst werden, scheint Altern zunächst ein Nachteil zu sein. Vor dem Hintergrund evolutionärer Prinzipien sollte das Altern schon längst „ausgestorben“ sein. Warum dies nicht so ist, versucht Annette Baudisch in ihrem Vortrag „Altern – ein Paradox“ am 27. Mai in München aufzulösen.

Alle Vorträge finden im Max-Planck-Haus am Hofgarten, Hofgartenstraße 8 in München statt. Da die Anzahl der Plätze begrenzt ist, bitten wir um Anmeldung unter forum@gv.mpg.de oder 089/2108 1296. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen über unser Platzangebot hinaus keine Teilnahme an der Veranstaltung ermöglichen können.

Media Contact

Dr. Felicitas von Aretin Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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