Stromtankstellen für Handys

Multimedia-Handys brauchen viel Strom: Erzeugen lässt er sich etwa mittels Brennstoffzellen – Siemens-Forscher testen hier solche mit sehr hoher Leistungsdichte.

Laptops, Organizer und Handys leisten immer mehr, verbrauchen aber auch immer mehr Strom. Das gilt besonders für künftige UMTS-Handys. Damit das mobile Multimedia-Erlebnis nicht schon nach kurzer Zeit endet, müssen bessere Stromspartechniken und neue Akkus her.

Mehrere Stunden Sprechzeit, wochenlanges Standby – wer sein Handy kennt, weiß, dass die Werbung mitunter mehr verspricht, als die Realität halten kann. In Zukunft könnte sich das Problem noch verschärfen: Die Endgeräte für die Mobilfunkstandards der dritten Generation werden geballte Rechenpower enthalten, etwa um Musik aus dem Internet abzuspielen oder Bilder zu übertragen. Mehr Tempo bedeutet aber auch höheren Stromverbrauch. Zum Vergleich: Heutige GPRS-fähige Mobiltelefone saugen beim Senden einen Strom von etwa 0,5 A aus dem Akku – 40 % davon fließen in die Endstufe, die die Antenne versorgt, ebenso viel in den Prozessor, den Rest frisst die Beleuchtung. Ein UMTS-Handy könnte leicht das Dreifache verbrauchen, wobei vor allem der Prozessor deutlich größeren Stromhunger haben wird. „Heutige Akkus wären nach einer halben Stunde leer“, warnt Michael Kranawetter, der bei Siemens in Ulm Stromspeicher für Handys untersucht.

In aller Welt tüfteln Ingenieure deshalb an effizienteren Technologien der Stromspeicherung. Noch besser: Man konstruiert die Geräte gleich so, dass sie Strom sparen. Und da ist noch einiges drin, glaubt Kranawetter. Beispiel: Das Siemens-Handy C45 enthält zur Beleuchtung zehn Leuchtdioden, die zusammen 100 mA verbrauchen. Neue hocheffiziente LED benötigen nur noch die halbe Leistung. Auch beim Mikroprozessor lassen sich durch Verkleinern der Chipstrukturen einige Prozent gewinnen. Die Endstufe, die die Antenne ansteuert, ist dagegen weitgehend ausgereizt. Mehr Luft dürfte in der komplexen Software der UMTS-Handys stecken. Mittels intelligenter Programmierung lässt sich z.B. bei geringer Belastung der Stromverbrauch senken. Ein potenzieller Stromfresser ist das Display. Es wird bei UMTS-Geräten größer und auf jeden Fall farbig sein, also voraussichtlich mehr Strom verbrauchen als die sparsamen einfarbigen LCD-Displays heutiger Handys. Weil farbige TFT-Displays, wie sie in Flachbildschirmen von Notebooks verwendet werden, viel zu schwer und zu stromhungrig wären, läuft alles auf organische Leuchtdioden (OLED) hinaus. Sie sind dünn wie eine Folie und benötigen keine Hintergrundbeleuchtung, weil die Bildpixel selbst leuchten. Das spart Energie. Die erste Generation von OLED sind mittlerweile serienreif (siehe Beitrag Maxi-Displays und Mini-Projektoren).

Trotz all dieser Sparmaßnahmen lastet die Hauptverantwortung bei der Stromversorgung von UMTS-Geräten auf den Schultern der Entwickler neuer Akku-Technologien. Ein kleiner Trost: UMTS-Handys werden wegen des größeren Bildschirms und neuer Funktionen größer sein als aktuelle Handys – das bietet mehr Möglichkeiten zum Einbau der Stromversorgung.

Beste Chancen haben neue Lithium-Polymer-Akkus: Sie bestehen aus übereinander geschichteten Kunststofffolien, die durch einen meist gelartigen Elektrolyten getrennt werden. Da diese Akkus ohne flüssigen Elektrolyten auskommen, lassen sie sich in vielfältigen Formen fertigen: z.B. als dünne Folie auf die Rückseite eines Bildschirms geklebt oder in beliebigen Hohlräumen verstaut. Obendrein sind Polymer-Akkus etwa 50 % leichter und dürften in den nächsten Monaten das Preisniveau von Lithium-Ionen-Akkus erreichen. Das erste Siemens-Handy mit Polymerakku ist das SL45 – mit einem Akku der japanischen Firma Sanyo. Ein weiterer Schub kommt in etwa drei Jahren mit der Lithium-Sulphur-Technik, die etwa 20 % mehr Energieinhalt bietet. Dafür sinkt die Ausgangsspannung von heute 3,7 V auf 2,4 V. Das reduziert zudem die Verluste, denn bisher muss die Spannung auf chipverträgliche 1,8 V herunter geregelt werden, wobei etwas Energie nutzlos verpufft.

Brennstoffzellen als Energiequelle eignen sich für alle mobilen Geräte. So können Siemens-Forscher in Erlangen damit auch die Betriebszeit von Notebooks deutlich erhöhen. Doch noch ist Einiges an Materialforschung und Fertigungsentwicklung nötig, um Brennstoffzellen marktreif zu machen

Brennstoffzellen als Energiequelle eignen sich für alle mobilen Geräte. So können Siemens-Forscher in Erlangen damit auch die Betriebszeit von Notebooks deutlich erhöhen. Doch noch ist Einiges an Materialforschung und Fertigungsentwicklung nötig, um Brennstoffzellen marktreif zu machen

Für Michael Kranawetter sind das aber nur Zwischenlösungen – für ihn steht fest: „Die Energiequelle der Zukunft ist die Brennstoffzelle.“ Darin reagiert Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft, wobei direkt Strom erzeugt wird. Außer Wasserdampf und Wärme entstehen keine Abgase, und der größte Vorteil: Ist der Tank leer, wird er einfach ausgetauscht. In Sekundenschnelle sind dann Handy oder Notebook wieder betriebsbereit.

So weit die Theorie. Praktisch sind jedoch noch etliche Hürden zu überwinden. Bei Brennstoffzellen, die reinen Wasserstoff benötigen, ist der Tank das schwache Glied in der Kette. Er muss das flüchtige Gas sicher einschließen und möglichst viel davon speichern. Metallhydrid-Speicher packen heute 1 kWh in ein Volumen von einem Liter – dreimal mehr als Lithium-Ionen-Akkus – sind aber noch schwer und teuer. Immerhin hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg einen Prototypen vorgestellt, der für Notebooks und Camcorder geeignet ist und nur wenig dicker ist als ein herkömmlicher Akku.

Bei sehr kleinen Geräten wie Handys hätte die so genannte Direkt-Methanol-Brennstoffzelle (DMFC) Vorteile. Methanol ist billig und leicht zu speichern – 4,77 kWh passen in einen Liter (aufs Gewicht bezogen sind es 6,03 kWh/kg bei reinem Methanol gegenüber 0,12 kWh/kg bei Li-Ionen-Akkus). Der amerikanische Handyproduzent Motorola hat bereits einen wenige Zentimeter großen DMFC-Prototyp vorgestellt, der einen Palmtop-Computer antreibt. Nachteil ist neben einem geringen Ausstoß an Kohlendioxid vor allem die notwendige Verdünnung des Methanols, die seine höhere Energiedichte teilweise wieder zunichte macht. Der Grund: Die in Brennstoffzellen üblichen Kunststoffmembranen, die nur Wasserstoff-Ionen passieren lassen sollten (siehe Beitrag Leise Revolution), funktionieren nur in wässriger Lösung und sind in gewissem Maß auch für Methanol durchlässig, das dann für die Stromgewinnung verloren geht und zudem die Elektrode verunreinigt.

Aus diesem Grund verzichtet eine von der US-israelischen Firma Medis Technologies entwickelte Brennstoffzelle völlig auf die trennende Membran. Möglich machen dies eine spezielle Methanolmixtur und Elektroden, die mit elektrisch leitenden Polymeren beschichtet sind. Dadurch lassen sich nach Angaben von Medis Technologies der Methanolgehalt und die Energiedichte dieser Brennstoffzelle um den Faktor drei bis fünf erhöhen. Inzwischen arbeiten weltweit zahlreiche Institute und Unternehmen an DMFC-Brennstoffzellen.

Wahrscheinlich sei aber, sagen die ISE-Experten, dass solche Minibrennstoffzellen für Handys nicht den vollen Strom beim Senden liefern können. Deshalb muss es einen zweiten Speicher geben – z.B. einen kleinen Polymer-Akku oder so genannte Super-Kondensatoren –, die im Standby-Betrieb von der Brennstoffzelle geladen werden und beim Telefonieren Strom zuschießen.

Noch weit exotischere Wege schlagen Forscher der amerikanischen Columbia University ein. Sie haben eine Gasturbine aus Silizium geätzt, die nicht größer ist als ein Hosenknopf und dennoch 20 W Leistung bringt. Ihr Nachteil: Bei 2,4 Millionen Umdrehungen in der Minute entstehen hohe Reibungsverluste. Wegen der nötigen Wärmeableitung muss die Turbine daher außerhalb von Handy oder Notebook betrieben werden. Ein weiteres Produkt der Mikrosystemtechnik ist ein winziger Wankelmotor der Universität Berkeley: Kleiner als ein Zuckerwürfel leistet er bereits 2,5 W.

Damit sich Brennstoffzellen, Minigasturbinen oder -motoren am Markt durchsetzen, wird jedoch noch einiges an Überzeugungsarbeit vonnöten sein. Der Verbraucher – an trockene, saubere Akkus gewöhnt – soll nun eine Flüssigkeit ins Handy füllen, die brennbar und giftig ist. Außerdem wird beispielsweise eine Brennstoffzelle bis zu 60 °C warm und gibt Wasserdampf ab. Ulf Groos, beim ISE fürs Marketing zuständig, sieht die Frage der Marktakzeptanz gelassen: „Giftig und explosiv sind Akkus im Prinzip auch. Und Flüssiges im Tank kennt man schon vom Auto oder vom Füllfederhalter.“ Dennoch: Der Erfolg wird davon abhängen, dass Handys ohne Probleme weiterhin in der Jacken- oder Aktentasche getragen werden können – und auch für Flugzeuge zugelassen sind: Viele Fluglinien verbieten heute z.B. Methanol im Passagierraum.

Sicherlich keine Akzeptanzprobleme hätten dagegen zwei alternative Techniken der Energieversorgung. ISE-Ingenieure haben zu Testzwecken ein Siemens-Handy auf der Rückseite mit einer hocheffizienten Solarzelle bestückt. Der Ladestrom beträgt bei Sonnenschein 30 bis 40 mA, was immerhin eine theoretisch unendliche Standby-Zeit bringt. Eine Designstudie des ISE besitzt einen Klappdeckel mit zwei großen Solarzellen und einer Brennstoffzelle im Inneren. Rein mit Muskelkraft funktioniert dagegen das neue „FreeCharge“ von Motorola. Das gelbe Ei mit Kurbeldynamo wird über ein Kabel ans Handy angeschlossen: Eine Minute Kurbeln soll immerhin für fünf Minuten Telefonieren reichen.

Media Contact

Bernd Müller Pictures of the Future

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