Verbraucher sind erstaunlich erfinderisch: Tagung zu Konsum und Kreativität an Uni Hildesheim

„Konsumenten lassen sich etwas einfallen bei der Kombination ihrer Kleidung, bemalen Chucks und überkleben das Logo ihres Apple-Computers. Sie stellen individuelle Müslimischungen zusammen und gestalten am Bildschirm ihren Wunsch-VW“, erläutert Konsumforscher Dr. Dirk Hohnsträter. Einen frischen Blick auf kreative Anteile des Konsums richten Wissenschaftler am 20. und 21. September auf einer Konferenz in Hildesheim.

Obwohl es sich um Industrieprodukte handelt, werden sie den Verbrauchern immer seltener in vorfabrizierter Form vorgesetzt: beispielsweise können Konsumenten die Farben und Materialien ihrer Turnschuhe nach Wunsch zusammenstellen oder werden von Drogerieketten vor der Einführung neuer Duschgels nach ihren Duftideen gefragt. „Gestaltungsmöglichkeiten für Käuferinnen und Käufer werden immer häufiger in die Produktentwicklung hinein vorgelagert. Konsumenten müssen daher nicht unbedingt als verführt und passiv, sondern können auch als erfinderisch verstanden werden. Der Umgang mit käuflichen Dingen umfasst eine Reihe eigensinniger Praktiken. Wir kombinieren Produkte oder formen sie um, um sie dem persönlichen Gebrauch anzupassen, konsumkritischen Haltungen Ausdruck zu verleihen oder aus Konsummaterial künstlerische Arbeiten zu gestalten“, beobachtet Dirk Hohnsträter, der an der Universität Hildesheim zur Konsumkultur forscht.

Bereits 1983 wurde in Hildesheim eine Professur für Populäre Kultur eingerichtet – eine Besonderheit in der deutschen Wissenschaftslandschaft. Seit 2011 hat der Kulturwissenschaftler Stefan Krankenhagen die Professur inne. Am 20. September spricht er in seinem Vortrag „Nicht berühren, nur kaufen“ über den Museumsshop als Schnittstelle von Konsum und Kreativität.

Der Vortrag ist Teil einer öffentlichen Konferenz am 20. und 21. September, die den vermeintlichen Gegensatz zwischen Konsum und Kreativität überprüft. Wie kreativ ist der Konsum? Und wie gehen Künstler mit käuflichen Dingen um?

Einführend spricht der Frankfurter Ethnologe Hans Peter Hahn am Freitag über „Handlungsräume der Konsumenten und die Macht des Alltäglichen“.

Anschließend befasst sich die Dortmunder Kulturhistorikerin Gudrun König unter dem Titel „Kaufrausch“ mit den „Leidenschaften des Konsums“. Der Zeithistoriker Siegfried Mattl (Wien) sieht „Konsum als Produktivkraft“. Am Abend des ersten Konferenztages hält der Frankfurter Germanist Heinz Drügh eine Keynote über den ästhetischen Umgang mit käuflichen Dingen.

Zudem werden auf der Tagung kaum bekannte Filmaufnahmen des Wiener „Gewerbeumzugs“ aus dem Jahr 1929 gezeigt, und der Künstler Thomas Rentmeister (Berlin) stellt seine Arbeiten zu Material und Menge vor. Rentmeister ist durch die Verwendung von Konsummaterialien wie Waschmitteln, Würfelzucker und Nuss-Nougat-Creme in seinen Arbeiten bekannt geworden.

Am zweiten Konferenztag werfen die Literatur- und Kulturwissenschaftler Uwe Lindemann (Bochum) und Thomas Hecken (Siegen) sowie der Hamburger Konsumsoziologe Kai-Uwe Hellmann einen Blick auf die „konsumistische Moderne“. Die digitalisierte Gegenwart betrachten Dirk Hohnsträter (Hildesheim) und der Kunst- und Medienwissenschaftler Simon Bieling aus Karlsruhe, der sich mit dem Thema „Bilderpost an Mitkonsumenten. Produktfotografien im Netz“ befasst.

Die Digitalisierung kann kreative Prozesse beflügeln, aber auch ambivalente Resultate hervorrufen – das beobachteten Studierende der Hildesheimer Kulturwissenschaften, die sich auf die Konferenz im Sommersemester in einem Seminar vorbereitet haben. Analysen von Webauftritten wie beispielsweise der Firma „mymuesli.de“ oder des Profiling-Unternehmens Acxiom zeigten nicht nur kreative Freiräume, sondern auch eine geschickte Nutzerführung und Datenabschöpfung. „Die Seminare zur Konsumkultur in Hildesheim setzen am Alltag an und werden sehr gut besucht“, so Hohnsträter. Im nächsten Semester bieten wir beispielsweise eine Einführung in die Warenästhetik an und analysieren umfassender die Folgen der Digitalisierung.

Veranstaltet wird die Konferenz vom „Herder-Kolleg – Zentrum für transdisziplinäre Kulturforschung“ und vom Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur der Universität Hildesheim. Alle Vorträge auf dem Kulturcampus Domäne Marienburg sind öffentlich und kostenfrei.

Konferenz „Konsum und Kreativität“
Wann?
Freitag, 20. September, und Samstag, 21. September 2013
Eröffnung am Freitag um 11:00 Uhr
Wo?
Kulturcampus Domäne Marienburg
Stiftung Universität Hildesheim
(Domänenstraße, 31141 Hildesheim)
Programm online:
http://www.uni-hildesheim.de/media/presse/2013_Konsum_und_Kreativitaet_Uni_Hildesheim.pdf
Medienkontakt:
Die Pressestelle der Universität Hildesheim stellt gerne Kontakt zu den Forschern her (Isa Lange, presse@uni-hildesheim.de, 05121.883-102, 0177.8605905).

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Isa Lange idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-hildesheim.de

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