Sahelstaub – Nature-Studie belegt menschlichen Einfluss

Schätzungsweise eine Milliarde Tonnen Staub werden jährlich in der Sahara und der südlich angrenzenden Sahelzone aufgewirbelt und u.a. mit den Passatwinden Richtung Atlantik transportiert. Seit mehr als 200 Jahren beeinflusst der Mensch diesen Prozess nachhaltig. Das belegt erstmals eine Studie, die MARUM-Wissenschaftler Dr. Stefan Mulitza und Kollegen am 8. Juli 2010 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichen.

Demnach trug der exportorientierte, kommerzielle Ackerbau im Lauf der Kolonisierung der schwarzafrikanischen Staaten zur Verwüstung des Sahel und zur erhöhten Bodenerosion bei.

Nature-Studie belegt menschlichen Einfluss auf Bodenerosion und Staubentwicklung

Die Belege stammen aus mehreren Sedimentkernen, die Bremer Geowissenschaftler während einer Expedition mit dem Forschungsschiff METEOR etwa 30 Kilometer vor der mauretanischen Küste in 323 Meter Wassertiefe gewannen. Einer dieser Kerne ist knapp fünfeinhalb Meter lang. In ihm ist die Klima- und Umweltentwicklung des Sahel während der letzten 3.200 Jahre gespeichert. „Beim Stichwort Sahelzone denken wir meist an die schreckliche Dürre in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts“, sagt Stefan Mulitza, Fahrtleiter der Expedition und Erstautor des Nature-Artikels. „Wir können jetzt nachweisen, dass menschliche Einflüsse in den letzten 200 Jahren die natürliche Erosion und Staubentwicklung in Westafrika überprägt haben.“

Im Zeitraum von 1.200 Jahren vor bis etwa 200 Jahre nach Christi Geburt herrschte im Sahel ein eher feuchtes Klima. Davon zeugen feinkörnige Ablagerungen, die viel Aluminium bzw. Eisen enthalten und vom Senegal-Fluss in den Atlantik gespült wurden. Danach wird das Klima zunehmend trockener, insbesondere zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert. Die ausbleibenden Niederschläge reißen Lücken in die Vegetationsdecke, und die Erosion nimmt zu. Gröbere, siliziumreiche Partikel, die mit den Passatwinden in den Atlantik driften, prägen die Meeresablagerungen dieses Zeitraums.

„Weniger Niederschlag, mehr Staub; dieser Zusammenhang leuchtet ein und wird durch unsere geochemischen Analysen auch bestätigt – zumindest bis ins 18. Jahrhundert“, sagt Dr. Mulitza. Danach koppelt sich die Staubentwicklung allmählich von der Niederschlagsmenge ab. „Aus den Ablagerungen lesen wir heraus, dass ab dem 18. Jahrhundert trotz zunächst höherer Niederschläge auch die Staubmengen zunehmen.“

Die Gründe liegen auf der Hand: Mit dem Einzug der Kolonialherren verändert sich die afrikanische Landwirtschaft grundlegend. Die Produktionsweise wird im Lauf der Zeit vom Anbau der für den Export bestimmten „Cash crops“ dominiert. „Die stärkste Zunahme der Erosion bzw. der größte Anstieg des Staubeintrags in den Atlantik fällt bezeichnenderweise mit dem flächendeckenden Anbau von Erdnüssen im Senegal, in Nigeria und Gambia im 19 Jahrhundert zusammen“, bilanziert Stefan Mulitza. Durchrationalisierte Erdnusspflanzungen benötigen große Flächen und viel Licht. Deshalb wird verstärkt gerodet. Die jetzt offenere, teils lückenhafte Vegetationsdecke ist anfälliger für Erosion. Als Folge wird mehr Staub aufgewirbelt und aufs Meer verweht.

„Lokal könnte der höhere Staubgehalt der Atmosphäre die Dürre im Sahel noch verstärkt haben. Mehr Staub in der Atmosphäre heißt weniger Sonneneinstrahlung und eine kühlere Erdoberfläche. Das kann sich negativ auf die während des Monsuns fallenden Niederschläge auswirken“, sagt Stefan Mulitza.

Weitere Informationen/Interviewanfragen/Bildmaterial:
Albert Gerdes Dr. Stefan Mulitza
MARUM-Öffentlichkeitsarbeit MARUM
Tel. 0421 – 218-65541 Tel. 0421 – 218-65536
Email: agerdes@marum.de Email : smulitza@uni-bremen.de
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