China-Boom fordert Fusionen und Umdenken in der Stahl-Industrie

Die beeindruckend dynamische Entwicklung auf dem chinesischen Stahlsektor bestimmte die Diskussionen der 8. Handelsblatt-Jahrestagung „Stahlmarkt 2004“ (1. und 2. März 2004) in Düsseldorf. Vor 160 Teilnehmern ging Francisco Ros-Garcia, Präsident Eurometal und CEO der Ros Casares, auf das derzeitige Ungleichgewicht zwischen den asiatischen Stahlmärkten und denen in Europa, Süd- und Nordamerika ein. China habe als weltgrößter Stahlproduzent, Stahlverbraucher und Importeur eine immer größere Entscheidungskraft für die gesamte Stahlindustrie.

Ros-Garcia prognostizierte, dass „die Wechselkursentwicklung eine wichtigere Bedeutung für die Stahlpreise haben wird.“ Strukturell verändere sich der Markt dahingehend, dass die Stahlpreise nicht mehr nur von Angebot und Nachfrage bestimmt würden, sondern spekulative Faktoren eine Rolle spielen werden. Langfristig müsse die Branche sich mit dem Thema Terminhandel stärker auseinander setzten. Bezug nehmend auf die Preissteigerung für Stahl forderte der Chef des spanischen Stahlherstellers ein Umdenken der Unternehmen. Um die Preise langfristig attraktiv gestalten zu können, müsse man sich stärker um Innovationen, eine bessere Logistik, eine effizientere Distribution sowie mehr Kundennähe und verbesserte Anwendungsmöglichkeiten kümmern. Langfristig fordere die Globalisierung eine weitere Konzentration der Stahlunternehmen, schloss der Eurometal-Präsident.

Malay Mukherjee, Präsident und COO der ISAPT International, betonte, dass Stahl ein globales Produkt sei. Stahl würde weltweit nachgefragt und könne spezifisch auf regionale Bedürfnisse angepasst werden. „Wenn sich der Stahlmarkt weiter konsolidieren soll, müssen auch regionale Unternehmen global werden“, stellte Mukherjee fest. „Globale Unternehmen werden besser auf Entwicklungen reagieren können.“ Er prognostizierte weiter, dass es in zehn Jahren fast ausschließlich weltweit operierende Stahlunternehmen geben werde.

Als Weg zu einer besseren Preisbildung beschrieb Michael B. Pfitzner, Mitglied des Vorstandes der Salzgitter AG, die partnerschaftliche Zusammenarbeit des Stahlhandels und der Produktion. Die derzeitigen Preissteigerungen führte Pfitzner nicht nur auf Spekulationen zurück, sondern sie seien auch eine Folge der enormen Stahlnachfrage und Produktion in China. Die hohen Stahlpreise seien auch ein strukturelles Problem. Um langfristig gut aufgestellt zu sein, meinte Pfitzner: „Die Differenzierung zwischen Massenstahl und Qualitätsstahl wird für Europa immer wichtiger und internationale Allianzen zur Rohstoffversorgung gewinnen an Bedeutung.“ Damit die Margen in der Stahlproduktion und im Stahlhandel ökonomisch sinnvoll gestaltet werden könnten, müssten die Wertschöpfungsketten stärker überprüft werden. „Ohne ein wesentliches Zusammenwachsen in der Stahldistribution, schwächt sich der deutsche Stahlhandel weiter.“ Zu überprüfen seien vor allem die Kosten für Zwischenlager, Fracht und Logistik.

Die Konzentrationsprozesse in der Stahldistribution griff auch Georges Kirps, Vize-Präsident bei Arcelor und Vize-Präsident von Eurometal, auf: „Der Trend zu weiteren Zusammenschlüssen und Konzentration ist ungebrochen.“ Durch die EU-Osterweiterung würde der derzeitige Konsolidierungsprozess der dort ansässigen Firmen stark vorangetrieben. Kirps gab dabei zu bedenken, dass schon heute finanzschwache Firmen mit einer hohen Verschuldung interessant für osteuropäische Oligarchen seien: „Der Übernahmepoker geht weiter“. In Europa sieht Kirps langfristig nur begrenzte Wachstumspotenziale. Attraktiv seien China, Asien und Osteuropa. In Bezug auf das China-Geschäft räumte er ein, dass die Implementierung von Basel II die Finanzdisposition des Stahlhandels erheblich beeinflussen werde und die Entwicklung der Frachtkosten dramatisch sei.

Dr. Hans-Christian Ueberschaer, Botschafter i. R. und Seniorpartner der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Heinz Schäfer & Partner, beschrieb den enormen Wachstum der chinesischen Wirtschaft. Er zeigte aber auch die gravierenden Schwächen Chinas auf. Der soziale Sprengstoff von derzeit 50 Millionen Arbeitslosen, die riskante Kreditvergabe an unproduktive Staatsunternehmen und die Konzentration des Wirtschaftsbooms auf die Küstenregionen.

Das Engagement von ThyssenKruppStainless auf dem chinesischen Markt stellte Jürgen Fechter, Vorstandesvorsitzender ThyssenKrupp Nirosta, vor. Da der Stahlbedarf in China überdurchschnittlich steigt, habe ThyssenKruppStainless in den Ausbau der Stahlproduktion in China investiert. Besonders die Nachfrage nach Qualitätsstahl würde mittelfristig in China steigen, da hier die Automobilindustrie überproportional wachse. „Was heute der Stahl ist, ist vielleicht schon morgen die Automobilindustrie“. Die Automobilindustrie sei für ThyssenKrupp die Schlüsselindustrie in China. Da Qualitätsstahl in China noch immer stark importabhängig ist, hat ThyssenKrupp in Feuerverzinkungswerksstätten investiert. „Dieser frühe Start ermöglicht uns einen Marktvorsprung von ein bis zwei Jahren“.

Auf die spezifisch deutschen Rahmenbedingungen der Stahlindustrie gingen Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin und der nordrheinfestfälische Wirtschaftsminister Harald Schartau ein. Mit Applaus belohnten die Teilnehmer die Feststellung Schartaus, dass die Vorschläge der Bundesregierung zum CO2 –Emissionshandel für die Stahlindustrie nicht akzeptabel seien: „Die Ausstattung mit CO2-Rechten ist zu gering und berücksichtigt nicht die Investitionen, die die Stahlindustrie in die Reduzierung von CO2 in den letzten Jahren getätigt hat.“

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Stefanie Rettig-Liebers EUROFORUM Deutschland GmbH

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