Duale Einkommensteuer: Modell für eine grundlegende Steuerreform

Konferenz des Sachverständigenrats in Frankfurt/Main in Kooperation mit Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht und Prof. Christoph Spengel, Professur für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Justus-Liebig-Universität Gießen

Das deutsche Steuerrecht ist zu kompliziert und anfällig für Missbrauch, und die Steuerbelastung von Unternehmen ist in Deutschland im internationalen Vergleich zu hoch, so der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2003/04. Darüber hinaus ergäben sich an der Schnittstelle von Einkommens- und Unternehmensbesteuerung zahlreiche Missstände, die die Finanzierungsentscheidungen und die Rechtsformwahl von Unternehmen steuerlich verzerren. Dass hier Reformbedarf besteht, zeigen die aktuellen Vorschläge aus dem politischen Lager von CDU/CSU und FDP, der Steuerjuristen Paul Kirchhof und Joachim Lang sowie der Vorschlag des Sachverständigenrats. In ihrem Jahresgutachten 2003/04 schlagen die „Fünf Weisen“ den Übergang zu einer „dualen Einkommensteuer“ nach dem Muster der nordischen Staaten Finnland, Norwegen und Schweden vor.

Der Sachverständigenrat führte am 26. März 2004 in Kooperation mit dem Münchener Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht und der Professur für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Justus-Liebig-Universität (JLU)Gießen mit Unterstützung der Deutschen Bundesbank in Frankfurt/Main eine Konferenz zur Bewertung der Ausgestaltungsoptionen und der zu erwartenden Effekte einer dualen Einkommensteuer durch. Die duale Einkommensteuer würde die derzeit sieben Einkunftsarten zu den beiden Kategorien Arbeits- und Kapitaleinkommen zusammenfassen. Arbeitseinkommen, worunter insbesondere die Arbeitnehmereinkünfte fallen, sollen weiterhin progressiv besteuert werden, wohingegen das unternehmerische Gewinne umfassende Kapitaleinkommen einer niedrigeren proportionalen Besteuerung von höchstens 30% unterliegen würde.

Nach der Begrüßung der mehr als 150 geladenen Teilnehmer aus Wissenschaft, Ministerien, Behörden, Praxis und Verbänden durch den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Ernst Welteke nahmen Prof. Wolfgang Wiegard, Vorsitzender des Sachverständigenrats, Prof. Wolfgang Schön, Direktor des Max-Planck-Instituts, und Prof. Christoph Spengel von der JLU eine Einordnung der dualen Einkommensteuer aus der Sicht der drei Steuerwissenschaften vor. Prof. Spengel, der seit Frühjahr 2003 die Gießener Steuerprofessur am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften innehat, befasste sich dabei mit den betriebswirtschaftlichen Fragestellungen der dualen Einkommensteuer. Dahinter verbergen sich schwierige und komplexe Fragen wie die Möglichkeiten zur Integration der Unternehmens- und Einkommensteuer sowie zur Abgrenzung der beiden Einkunftsarten Kapital- und Arbeitseinkommen, welche die duale Einkommensteuer prägen. Prof. Spengel, der auch Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium ist, hatte hierzu im Vorfeld eine umfassende Expertise für den Sachverständigenrat angefertigt.

Im Anschluss diskutierten unter Vorsitz von Prof. Wiegard der Finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, der Baden-Württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus, der Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank, Prof. Remsperger sowie die Steuerwissenschaftler Ulrich Schreiber (Mannheim), Kari Tikka (Helsinki) und Franz Wagner (Tübingen) über die Vorzüge und Nachteile der dualen Einkommensteuer. Nach dem übereinstimmenden Urteil der Experten zeichnet sich die duale Einkommensteuer im Vergleich zu den anderen Steuerreformvorschlägen vor allem durch eine größere Flexibilität im internationalen Wettbewerb um niedrige Steuerbelastungen und eine erhöhte Neutralität im Bereich der Unternehmensbesteuerung aus. Zudem fallen die zu erwartenden Steuerausfälle nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums spürbar geringer aus als bei den Alternativmodellen, was die duale Einkommensteuer auch politisch attraktiv macht. Ein Makel bleibt allerdings bestehen: Auch die duale Einkommensteuer vermag im Bereich der Unternehmensbesteuerung nicht zu einer durchgreifenden Steuervereinfachung führen. Zudem könnte die getrennte Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen in Konflikt zu dem verfassungsrechtlichen Gebot einer Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit stehen, eine Frage, die unter Steuerjuristen nach wie vor kontrovers diskutiert wird.

Kontakt:

Prof. Dr. Christoph Spengel
Betriebswirtschaftslehre VI
Licher Straße 62
35394 Gießen
Tel.: 0641/99-22553
Fax: 0641/99-22559
e-mail: Christoph.Spengel@wirtschaft.uni-giessen.de

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Christel Lauterbach idw

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