Deutsche Banken zögern bei der Kreditvergabe

Kreditsaldo von 1992 bis 2002 <a target=_blank href=http://www.innovations-report.de/bilder_neu/kreditsaldo.jpg>Große Ansicht der Tabelle</a>

Die Kreditnachfrage in Deutschland überstieg im zweiten Halbjahr 2002 deutlich das Angebot. Ursache ist offenbar eine „Kreditklemme“, die die ohnehin angeschlagene deutsche Wirtschaft schwächt. Insbesondere die Großbanken gewähren weniger Kredite an Unternehmen und Selbständige. Eine Ausweitung des Kreditangebots ist erst zu erwarten, wenn es auch den Banken wieder besser geht.

Die deutschen Banken haben seit Mitte vergangenen Jahres weniger Kredite an Unternehmen und Selbständige vergeben als in vergleichbaren früheren Konjunkturphasen. Sie haben damit offenbar eine „Kreditklemme“ herbeigeführt. Dies geht aus einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) hervor. Der Begriff „Kreditklemme“ bezeichnet eine Situation, in der das Angebot der Banken an Krediten niedriger ist als auf Grund der herrschenden Zinssätze und der Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte zu erwarten wäre.

Kreditnachfrage übertrifft seit Ende 2002 deutlich das Angebot

In einer empirischen Untersuchung von Quartalsdaten der Jahre 1992 bis 2002 wurden die Bestimmungsgrößen von Kreditangebot und -nachfrage ermittelt und auf dieser Grundlage die entsprechenden Werte geschätzt. Es zeigt sich, dass die Banken insbesondere seit 2001 ihr Angebot stärker eingeschränkt haben, als die Nachfrage nach Krediten gesunken ist. Im zweiten Halbjahr 2002 verschärfte sich die Lage: die berechnete Kreditnachfrage überstieg das Angebot deutlicher als bislang in den 90er Jahren. Dabei verhielten sich die Großbanken – wie weitere Berechnungen ergaben – bei der Kreditvergabe restriktiver als die Banken des öffentlich-rechtlichen Sektors.

Je schlechter es den Banken geht, desto weniger Kredite vergeben sie

Die Ursache für die eingeschränkte Kreditvergabe sieht das RWI vor allem im Verfall der Aktienkurse. Dieser verschlechterte die Ertragslage der Banken und führte zudem zu einem Einbruch im – insbesondere für die Großbanken bedeutenden – Investmentbanking. Vergleicht man Kreditvergabe und Aktienkurse (gemessen am breit gefassten deutschen Kursindex CDAX), zeigt sich, dass beide im Frühjahr 2000 ihren Höhepunkt erreichten und seitdem relativ parallel verlaufen: je höher/niedriger die Kurse, desto höher/niedriger auch das Angebot an Krediten. Da der Aktienkursverfall zudem die Eigenkapitalausstattung der Banken beeinträchtigt hat, ist auch ein Zusammenhang mit der Neugestaltung der Eigenkapitalregeln für die Banken (Basel II) denkbar: da sie in Zukunft mehr Eigenkapital benötigen, vergeben sie ihre Kredite eventuell zögerlicher.

Erst wenn der Bankensektor sich erholt, wird sich die „Kreditklemme“ lockern

Eine „Kreditklemme“ hat beachtliche makroökonomische Folgen. Zum einen verliert dadurch die Geldpolitik einen Teil ihrer Wirksamkeit. Zum anderen führt der eingeschränkte Zugang zu Kapital dazu, dass Unternehmen ihre Investitionstätigkeit einschränken müssen, was die wirtschaftliche Lage Deutschlands auch auf längere Sicht verschlechtert. Von Bedeutung ist dabei, wie lange diese Situation anhält. Eine Entspannung ist bereits durch stabilere Aktienkurse zu erwarten. Zu einer grundlegenden Besserung wird es jedoch voraussichtlich erst im Zuge der eingeleiteten Anpassungen im Bankensektor kommen. Auch die jüngst diskutierte Initiative der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und einiger großer Banken, einen Teil der vergebenen Kredite zu verbriefen und so ihre Bilanzen zu entlasten, könnte die Kreditvergabe in Deutschland stärken. Geschieht dies, wird sich voraussichtlich auch die „Kreditklemme“ lösen.
(erscheint als „RWI Discussion Paper“)

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