Unkonventionelle Modelle in der Forschung

Als Modellorganismen bezeichnen Forscher Tiere und Pflanzen, an denen sie zentrale Lebensvorgänge studieren, um die Erkenntnisse dann auf den menschlichen Organismus zu übertragen. Aus der Fülle der Arten hat es nur eine kleine Zahl zu Model-Ehren in der Wissenschaft gebracht.

Schönheit ist dabei kein Kriterium, eher schon leichte Verfügbarkeit, genügsame Lebensweise, kurze Entwicklungszeiten – und möglichst auch ein durchsequenziertes Genom, also die genaue Kenntnis der Erbinformation. Ist ein Modellorganismus erst einmal gut bekannt und in zahlreichen Labors zu Hause, so steigert allein dies seine Beliebtheit bei den Forschern.

Doch gängige Modellorganismen sind nicht immer die idealen Forschungsobjekte für eine bestimmte Fragestellung. „Think Alternative“ möchte den Kreis erweitern und Arten vorstellen, die derzeit nur von wenigen Forschern genutzt werden. Achtzehn Wissenschaftler werden an zwei Tagen die Modellorganismen ihrer Wahl präsentieren und begründen, was sie für die Forschung interessant macht. Hier eine Auswahl:

John Bowman (Monash University, University of California Davis) etwa hat das Lebermoos Marchantia als Modellsystem in die Biologie eingeführt. Dieser ursprüngliche Organismus besitzt noch zahlreiche molekulare Gemeinsamkeiten mit wasserbewohnenden Grünalgen, den Vorläufern der Landpflanzen. Anhand dieses Modells möchte John Bowman einen der folgenreichsten Schritte in der Evolution rekonstruieren: den Übergang von Wasser- zu Landpflanzen und damit die Eroberung des Festlandes durch das Leben.

Ueli Grossniklaus leitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich. Neben der unvermeidlichen Ackerschmalwand dient ihm auch die Gauklerblume Mimulus als Forschungsobjekt. Eine Mimulus-Art, die er studiert, hat in Kalifornien innerhalb weniger Jahre einen spektakulären Entwicklungsschritt vollzogen. Aus großen, gelben Blüten, die von Insekten bestäubt werden, entstanden kleine, rote Blüten, deren Pollen von Kolibris übertragen wird. Diese Veränderung wird auf epigenetische Einflüsse zurückgeführt.

Elly Tanaka ist Professorin am Zentrum für Regenerative Therapien in Dresden (CRTD). Sie untersucht die Regenerationsfähigkeit von Geweben am Beispiel des Axolotl. Nach Verletzungen wachsen diesem Salamander Gliedmaßen, Schwanz, Rückenmark, Kiefer und sogar die Augen nach. Elly Tanaka konnte ihre Methodik so weit verfeinern, das sie einzelne Zellen bei der Regeneration beobachten kann. In einer viel beachteten Publikation wies sie 2009 nach, dass die Regeneration nicht, wie angenommen, von plutipotenten Stammzellen ausgeht, sondern von wesentlich spezialisierteren Zellen.

Ralf Sommer, Direktor der Abteilung für Evolutionsbiologie am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie (Tübingen), beschäftigt sich mit evolutionärer Entwicklungsbiologie. Dieser Zweig der Biologie, im Englischen salopp als „evo-devo“ bezeichnet, untersucht, wie Veränderungen in der Entwicklung von Organismen zu Änderungen der Gestalt und zum Erwerb neuer Funktionen führen. Neben dem gut untersuchten Fadenwurm Caenorhabditis elegans hat Sommer Pristionchus pacificus als Modellorganismus eingeführt, der wegen seiner engen Beziehung zu einer Mistkäfer-Art auch für ökologische Studien interessant ist.

Auch Nipam Patel (University of California, Berkeley, Howard Hughes Medical Institute) ist auf dem Gebiet der evolutionären Entwicklungsbiologie aktiv. Zu seinen Modellorganismen zählen Rinder, Hühner, Heuschrecken und Krebse. Gemeinsam mit vier weiteren Autoren verfasste er Evolution, ein beliebtes Lehrbuch und Standardwerk der Biologie, in dem zahlreiche Zweige der Evolutionsforschung zusammengeführt werden.

Das Symposium endet mit der Prämierung der besten Dissertationen am Campus Vienna Biocenter.

Die Internationalen VBC PhD Symposien werden seit acht Jahren von den Doktoratsstudenten am Vienna Biocenter organisiert. Mit Unterstützung der Institute IMP, IMBA, GMI und MFPL bestreiten die Studenten sämtliche Vorbereitungen als Teil ihrer umfassenden Ausbildung.

“Think Alternative: Insights from Unconventional Model Organisms”
Ort: Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie, IMP Hörsaal, 4. Stock
Dr. Bohr-Gasse 7 1030 Wien
Zeit: 3. November 10.00 – 18.15 Uhr, 4. November, 10.00 – 17.30 Uhr
Kontakt:
Dr. Heidemarie Hurtl
IMP-IMBA Communications
Tel. 79730-3625
mobil: 0664/8247910
E-mail: hurtl@imp.ac.at

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Dr. Heidemarie Hurtl idw

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