Umweltforschung geht neue Wege

„Quo vadis Umweltforschung?“ – diese Frage stellt die Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) vom 4. bis 6. Oktober 2006 auf ihrer Jahrestagung an der Universität Halle-Wittenberg. Und sie beantwortet diese Frage auch gleich im Untertitel der Tagung, die dem Umwelt- und Verbraucherschutz gewidmet ist: Von der „end of Pipe“-Strategie zur Nachhaltigkeit. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: nicht nur die Abgas- oder Abwasserreinigung löst Umweltprobleme, besser ist, industrielle Prozesse so zu planen, dass Abfälle, Abgase oder Abwasser kaum noch entstehen.

Der Programmpunkt „Nachhaltige Chemie und Umweltmanagement“ nimmt daher auf der Tagung in Halle breiten Raum ein. In einem Plenarvortrag spricht Professor Dr. Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes in Dessau, über „Nachhaltigkeit und Innovation im Chemiesektor: Welche Rolle nehmen Staat, Wissenschaft, Industrie und Verbände ein?“. Da der Chemiesektor zu den wichtigsten und innovativsten Branchen in Europa zählt und die deutschen Chemieunternehmen das höchste Produktionswachstum seit 15 Jahren verzeichneten, trägt die Chemie für den Umweltschutz eine besondere Verantwortung. Es gilt, nachhaltige Konzepte für diese Branche zu entwickeln und zu verwirklichen. Nach Auffassung Troges sind freiwillige Regeln und Gesetze, wie etwa die künftige REACH-Gesetzgebung der Europäischen Union wichtig und notwendig; sie reichen aber allein nicht aus, um Chemikaliensicherheit zu gewährleisten. Unternehmen, Staat, Wissenschaft sowie Verbraucher- und Umweltverbände müssten gleichermaßen und wo möglich gemeinsam handeln und Strategien für eine dauerhaft umweltverträgliche Chemie entwerfen. Es gelte, weniger schädliche Stoffe in der chemischen Produktion zu verwenden, mit Ressourcen sparsam umzugehen und die Emissionen chemischer Produkte so gering wie möglich zu halten. Deutsche Unternehmen betreiben in diese Richtung Forschung mit steigender Tendenz und anspruchsvollen zusätzlichen Arbeitsplätzen. Viele Unternehmen engagieren sich bereits mit Nachhaltigkeitsberichten und strategischen Partnerschaften. Der Staat habe nun, so Troge, die Aufgabe, mit Regeln und Anreizen die Randbedingungen zu schaffen, damit die Unternehmen mit ihren Produktionsverfahren sowie Produkten die Belastungsgrenzen der Umwelt und der menschlichen Gesundheit einhalten. Die Wissenschaft müsse Möglichkeiten aufzeigen, wie Risiken zu vermeiden sind. Umwelt- und Verbraucherschutzverbände müssten die neue Verantwortung der Unternehmen annehmen und mit ihnen den konstruktiven Dialog intensivieren.

Was die REACH (Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien)-Verordnung zur nachhaltigen Chemie beitragen wird, analysiert ein weiterer Vortrag aus dem Umweltbundesamt. In ihm wird darauf hingewiesen, dass die unter REACH registrierten Chemikalien zwar sicher, aber nicht notwendigerweise nachhaltig sein werden. Unter nachhaltigen Chemikalien werden solche Stoffe verstanden, die in der Umwelt nicht persistent sind, die sich nicht über größere Entfernungen ausbreiten, keine irreversiblen Wirkungen zeigen und auf längere Sicht ungefährlich sind. Ihr Ressourcenbedarf bei der Herstellung muss gering sein, ebenso wie die bei Herstellung und Gebrauch anfallenden Abwasser- und Abfallmengen.

Mit der Entwicklung der Mikroverfahrenstechnik, der Nanotechnik, der Weißen Biotechnik und umweltfreundlicher Synthesen sowie mit der Nutzung nachwachsender Rohstoffe vor allem in Bioraffinerien und mit innovativen Lösungsvorschlägen für die künftige Energieversorgung trägt die Chemie zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Dies wird an Beispielen in Halle gezeigt. Vorgestellt werden auch die Ökoeffizienz-Analyse der BASF als erste zertifizierte Methode zur Messung der Nachhaltigkeit von Produkten und Prozessen sowie die an der Universität Jena entwickelte forschungsbegleitende Bilanzierung, mit der die gezielte Suche nach ökologisch nachhaltigen Stoffen, Synthesewegen oder Verfahrenstechniken ermöglicht werden soll.

In Halle geht es aber nicht nur um den Nachhaltigkeitsaspekt, sondern auch um toxikologische Aspekte des Verbraucherschutzes (u.a. mit Beiträgen zu Nanopartikeln, Phthalaten, Acrylamid, Pharmarückständen oder Mykotoxinen), um Chemikalien aus Haushaltsprodukten in der Umwelt, um die Atmosphärenchemie und Luftreinhaltung, um Mechanismen der Schadstoffwirkung und generell um die Ökosystemforschung.

Zur Eröffnung der Tagung wird der mit 1.500 Euro dotierte „Förderpreis für junge Wissenschaftler“ der GDCh-Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie an die Dipl.-Geoökologin Sandra Russold aus Kaiserslautern verliehen. Sie hat sich in einer herausragenden Diplomarbeit, angefertigt am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, mit dem Transportverhalten von grundwasserbelastenden Substanzen beschäftigt.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit über 27.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 25 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie mit knapp 900 Mitgliedern. Hauptanliegen dieser Fachgruppe ist u.a., alle an Umweltchemie und Ökotoxikologie interessierten Wissenschaftler und Praktiker zusammenzuführen und somit das gesamte Wissensgebiet voranzubringen. Die Fachgruppe will helfen, Kenntnislücken auszufüllen über Eintrag, Verteilung, Umwandlung und Verbleib von chemischen Stoffen in der Umwelt und über die Einwirkungen von Stoffen auf Lebewesen und Lebensräume.

Kontakt:
Dr. Renate Hoer
Gesellschaft Deutscher Chemiker
Öffentlichkeitsarbeit
Postfach 900440
60444 Frankfurt
Tel.: 069/7917-493
Fax: 069/7917-307
E-Mail: r.hoer@gdch.de

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Dr. Renate Hoer Gesellschaft Deutscher Chemiker

Weitere Informationen:

http://www.gdch.de

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