Nachhaltige Physik: In Lindau begeistern 24 Nobelpreisträger den weltbesten Nachwuchs für die großen Fragen ihres Fachs

Was die Welt im Innersten zusammen- und im Äußersten auseinanderhält, davon wird in der ersten Juliwoche in Lindau häufiger die Rede sein als an jedem anderen Ort der Erde.

Denn die 24 Nobelpreisträger der Physik, die sich dann auf der Insel im Bodensee versammeln, sind mit ihren Entdeckungen tief in die Geheimnisse des Mikro- und des Makrokosmos vorgedrungen. Sie werden ihr Wissen beim 58. Lindauer Nobelpreisträgertreffen eine Woche lang mit 550 hervorragenden Nachwuchswissenschaftlern aus 65 Ländern teilen, sich mit ihnen über aktuelle Entwicklungen austauschen und Kontakte knüpfen.

Als roter Faden wird sich die Frage nach den wesentlichen Anforderungen der Ausbildung zum Forscher, nach den optimalen Voraussetzungen für den Erfolg von Wissenschaftlern durch das Treffen ziehen. Nicht nur in den Vorträgen wird „Science Education“ ein Thema werden – sondern vor allem in zahlreichen Gesprächen zwischen den Laureaten und dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Denn im Zeichen der Globalisierung wächst die Verantwortung von Wissenschaftlern für eine nachhaltige Entwicklung unserer Welt – und die Begegnungen des Lindauer Treffens sollen dabei wie Stabsübergaben in einem generationsübergreifenden Staffellauf für die Zukunft der Menschheit wirken.

Die Spanne der teilnehmenden Laureaten reicht von Donald Glaser, dem Physiknobelpreisträger des Jahres 1960, der für seine Erfindung der Blasenkammer zum Nachweis von Elementarteilchen ausgezeichnet wurde, bis zum letztjährigen Preisträger Peter Grünberg, ohne dessen Entdeckung des Riesenmagnetowiderstandes es die leistungsfähigen Speichermedien der Gegenwart (in Laptops wie in MP-3-Spielern) nicht gäbe. Die Attraktivität des Lindauer Treffens spiegelt sich auch in seiner Aktualität wider: Sieben der teilnehmenden Laureaten haben ihren Nobelpreis innerhalb der vergangenen sechs Jahre erhalten.

THEMEN DER 58. NOBELPREISTRÄGERTAGUNG

Klimawandel als Herausforderung: Wissenschaftliche Orientierung und konstruktive Perspektiven in den schwer durchschaubaren und politisch hochbrisanten Zusammenhang von Energieverbrauch, Erderwärmung und Klimawandel zu bringen – das sehen viele Nobelpreisträger als ihre Pflicht an, der sie sich mit Sachverstand und Engagement widmen. Fünf Laureaten stellen sich deshalb dem Thema „Climate Changes and Energy Challenges“ in einer Podiumsdiskussion am 1.Juli, darunter der deutsche Chemienobelpreisträger Hartmut Michel, der zu den entschiedenen Kritikern der umstrittenen Biokraftstoffe gehört.

Perspektiven der Astrophysik: Riccardo Giacconi (Nobelpreis 2002) wird in Lindau sein, der als der geistige Vater des Weltraumteleskops Hubble gilt. Auch George F. Smoot wird kommen, dessen differenzierte Berechnungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ihm den Nobelpreis 2006 eintrugen. Besonders interessant dürften zudem die Vorträge von zwei Forschern werden, die in relativ jungen Jahren ihre Nobelpreise auf dem Gebiet der Teilchenphysik errangen, sich später aber dem Kosmos zuwandten. James Cronin (Nobelpreis 1980) stellt das von ihm aufgebaute Observatorium in Argentinien vor, mit dem er hochenergetische Strahlen aus dem Weltall analysieren will.

Praktische Folgen der Quantenphysik: Die Quantenmechanik, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die klassische Physik revolutionierte, führte in der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts zu praktischen Erfindungen, die unseren Alltag nachhaltig verändert haben. Dazu gehören die Laserstrahlen, die präzise lesen, schneiden, messen und Informationen übermitteln können; die Halbleiter, deren Einsatz den Beginn der Mikroelektronik und Computertechnologie markiert; die Supraleiter, deren widerstandsfreie Leitung von Strom den Aufbau von Magnetfeldern zulässt, wie sie zum Beispiel für die Kernspintomographie benötigt werden. Bedeutende Pioniere dieser Technologien werden in diesem Jahr nach Lindau kommen – und dabei auch aktuelle Themen behandeln, wie etwa Klaus von Klitzing (Nobelpreis 1985). Er stellt die Perspektiven für elektronische Schaltkreise auf Kohlenstoff- statt auf Siliziumbasis vor.

Präzision aus Leidenschaft: Seine „Leidenschaft für Präzision“, wie er es selber nennt, hat Theodor Hänsch 2005 den Nobelpreis für Physik eingebracht. In Lindau wird er seine Forschungsarbeiten zum Betreiben eines Quantenlabors auf einem einzigen Mikrochip vorstellen, eine Erfindung, die auch als Baustein für Quantencomputer dienen könnte. Welche unvorstellbar kleinen Zeiten und Längen – bis tief hinein in den atomaren Bereich – heute mit Hilfe hochpräziser Laser gemessen werden, zeigt Nicolaas Bloembergen (Nobelpreis 1981) in seinem Übersichtsvortrag auf. John Hall (Nobelpreis 2005) thematisiert schließlich die Frage, wo die Grenzen der Messbarkeit liegen – und ob Ultrapräzionslaser eines Tages sogar Naturkonstanten als zeitabhängige Variablen entlarven könnten.

Media Contact

Christian Rapp idw

Weitere Informationen:

http://www.lindau-nobel.de

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