Infektion mit Epstein-Barr Virus führt bei Kindern nicht zwingend zu Multipler Sklerose

Pünktlich zum morgigen Welt-MS-Tag hat eine Forschergruppe um Prof. Dr. Bernhard Hemmer, Leiter der Neurologischen Klinik der TU München, den Nachweis erbracht, dass das Epstein-Barr Virus (EBV) keine Antikörper gegen ein im Gehirn vorkommendes Eiweiß (Myelin-Protein/MOG) verursacht.

„Unser Verdacht, dass ein Zusammenhang zwischen einer durchgemachten EBV-Infektion und einer Antikörper-Antwort gegen das MOG-Protein bei Kindern mit entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems besteht, hat sich nicht erhärtet“, sagt Hemmer, der auch Vorstandsmitglied im Kompetenznetz Multiple Sklerose ist.

Schon seit längerem diskutieren Forscher darüber, ob das Epstein-Barr Virus Autoimmunerkrankungen, u. a. Multiple Sklerose (MS), auslösen kann. Bisher konnte dafür kein direkter Beweis erbracht werden.

Die aktuelle Studie hat den möglichen Zusammenhang anhand von Blutproben von Kindern mit akuter disseminierter Enzephalomyelitis (ADEM) und klinisch isoliertem Syndrom (CIS), einer Vorstufe der Multiplen Sklerose, untersucht. Beide Erkrankungen sind Ausdruck einer akuten Autoimmunreaktion im Zentralnervensystem (ZNS): Die Myelinschicht, die die Nervenfasern schützend umgibt, wird angegriffen und die darin eingebetteten Proteine zerstört. Mediziner können an ADEM und CIS die Ursachen der Entstehung von Autoimmunität und letztlich der Multiplen Sklerose studieren.

EB Virus kein Indiz für Antikörper-Angriff auf MOG-Protein

Die Untersuchungen verschiedener Forschergruppen haben gezeigt, dass ADEM- und CIS-Patienten im Vergleich zu gesunden Kindern bzw. Kindern mit anderen neurologischen Erkrankungen eine deutlich höhere Konzentration von Antikörpern gegen das MOG-Protein im Blut aufweisen. Für das Auftreten der MOG Antikörper spielte es dabei keine Rolle, ob die ADEM- und CIS-Kinder mit dem EB Virus infiziert waren oder nicht. Außerdem fanden sich keine eindeutigen Hinweise, dass die EBV-Infektion bei diesen Kindern das Risiko erhöht, im weiteren Verlauf eine MS zu entwickeln.

„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr Virus nicht als alleiniger Entstehungsmechanismus für die Entwicklung entzündlicher Erkrankungen des Nervensystems bei Kindern, insbesondere nicht für die Entwicklung von Autoantikörpern gegen das MOG-Protein, herhalten kann“, erklärt Hemmer. Die Befunde deuteten eher darauf hin, dass EBV – wenn überhaupt – nur bei einem Teil der Patienten relevant ist.

Der vollständige Forschungsbericht ist in der aktuellen Ausgabe von „Neurology“ erschienen. Die Arbeit der Wissenschaftler wurde im Rahmen des krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (Verbund CONTROLMS) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.

Kontakt:
Prof. Dr. Bernhard Hemmer, Tel.: (089) 4140-4601, E-Mail: hemmer@lrz.tum.de
DOI: 10.1212/WNL.0b013e3181e04096
Das krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zusammenzubringen, um den Austausch zwischen Forschung und Patientenversorgung zu verbessern.

Aktuell gehören dem KKNMS drei Forschungsverbünde an: CONTROLMS, UNDERSTANDMS und CHILDRENMS. Die Geschäftsstelle ist am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München angesiedelt.

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