Wie Multiple Sklerose die Architektur des Gehirns verändert

Die MS ist die häufigste Ursache für neurologische Störungen im frühen Erwachsenenalter und bricht meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr aus. Das Fatale an MS: Sie verläuft bei jedem anders und ist unberechenbar. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) kam einem Rätsel der Krankheit jetzt näher und analysierte, wie Multiple Sklerose die Architektur des Gehirns verändert. Ihre Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift Proceeding of the National Academy of Sciences USA (PNAS) erschienen.

In Normalfall funktioniert das menschliche Gehirn wie eine Art Schaltzentrale. Verschiedene Nervenfasern leiten hier die Impulse über das Rückenmark zum Körper und werden dort empfangen. Die Nervenfasern sind ähnlich wie elektrische Kabel von einer Isolierschicht umgeben. Bei Multipler Sklerose attackiert das körpereigene Immunsystem aus noch ungeklärten Gründen genau diese isolierende Umhüllung – das Myelin. Die Folge: Botschaften können nicht mehr wirkungsvoll übertragen werden. Was häufig mit einem Kribbeln in den Beinen oder Flimmern im Sichtfeld beginnt, führt im weiteren Verlauf meist zu schweren Bewegungsstörungen oder auch kognitiven Verlusten wie z.B. bei Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisleistungen.

Bislang deutete die Wissenschaft starke Kopplungen zwischen verschiedenen Hirnarealen als Zeichen für eine bessere Verarbeitung der Informationen. Die Forschungsgruppe um Prof. Andreas Engel vom Institut für Neurophysiologie und Pathophysiologie am UKE zeigte nun, dass auch das Gegenteil zutreffen kann. Ihre Untersuchungen von MS-Patienten durch funktionelle Magnetresonanztomographie ergaben: Je stärker die Nervenfasern im Gehirn geschädigt und kognitive Prozesse beinträchtigt waren, desto mehr kommunizierten bzw. koppelten bestimmte Hirnareale miteinander. Damit gelang es den Wissenschaftlern, einen völlig neuen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß kognitiver Störungen und Veränderungen von Kommunikationsprozessen im Gehirn herzustellen.

Warum bestimmte Hirnregionen bei MS trotz zunehmender Schädigung stärker miteinander kommunizieren als bei Gesunden, bleibt noch Spekulation. Momentan gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Verlust vieler Verbindungen dazu führt, dass die Netzwerke weniger variabel agieren und daher verstärkt untereinander kommunizieren. Wunsch der Wissenschaftler ist es, aus den Ergebnissen neue diagnostische und therapeutische Ansätze bei MS zu entwickeln. Denkbar wäre ihrer Meinung nach etwa, die neue Methode als zusätzliches Monitoringsystem zu nutzen, um das Ausmaß der Erkrankung, besonders im frühen Stadium, noch besser einschätzen zu können. Ferner könnten die Ergebnisse helfen, Veränderungen der Hirnarchitektur zukünftig auch bei anderen Krankheiten besser deuten zu können.

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Christine Jähn idw

Weitere Informationen:

http://www.uke.uni-hamburg.de

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