Bonner Forscher bringen mit Licht das Herz ins Stolpern

Tobias Brügmann und seine Kollegen vom Institut für Physiologie I der Uni Bonn nutzten für ihre Versuche ein so genanntes „Kanal-Rhodopsin“. Dabei handelt es sich um eine Art Lichtsensor, der in der Zellmembran gleichzeitig als Schleuse für elektrisch geladene Teilchen dienen kann. Bei Bestrahlung mit blauem Licht öffnet sich diese Schleuse, und positiv geladene Ionen strömen in die Zelle. Dadurch verändert sich die Spannung an der Zellmembran, und Herzmuskelzellen können so zur Kontraktion angeregt werden.

„Wir haben Mäuse genetisch so verändert, dass sie im Herzmuskel Kanal-Rhodopsin bilden“, erklärt Professor Dr. Bernd Fleischmann vom Institut für Physiologie I. „Durch Beleuchtung konnten wir so den elektrischen Zustand im Mäuseherzen nach Wunsch verändern. Auf diese Weise konnten wir beispielsweise gezielt Rhythmusstörungen der Vor- oder Hauptkammern auslösen.“

Derartige Arrhythmien – Mediziner sprechen auch vom Kammerflimmern – sind die häufigste Todesursache nach einem Herzinfarkt. Sie entstehen, wenn massenhaft Zellen im Herzen absterben und durch Bindegewebe ersetzt werden. „Dieses Narbengewebe hat andere elektrische Eigenschaften als der gesunde Herzmuskel“, sagt der Leiter der Studie Professor Dr. Philipp Sasse. „Und dadurch kommt das Herz ins Stolpern.“

Doch warum ist das so? Normalerweise breiten sich von einem natürlichen Taktgeber elektrische Impulse über das Herz aus. Das geschieht zeitlich und räumlich streng koordiniert, so dass es zu einer genau abgestimmten Kontraktion kommt. Wenn sich jedoch ganze Muskelbereiche elektrisch entkoppeln, funktioniert das nicht mehr: Bestimmte Herzteile pulsieren plötzlich in ihrem eigenen Takt. Der Blutfluss kommt dadurch nahezu zum Erliegen.

Die Bonner Wissenschaftler können diese Entkopplung nun durch Bestrahlung mit blauem Licht auslösen. Dabei können sie sich auf wenige Zellen beschränken oder alternativ größere Bereiche des Herzens steuern. So können sie beispielsweise herausfinden, welche Regionen des Hohlmuskels auf elektrische Störungen besonders sensibel reagieren.

Doch warum reizt man den Herzmuskel nicht einfach über Elektroden und bringt ihn so aus dem Takt? „Das macht man zwar auch“, sagt Professor Sasse. „Diese Methode hat aber unerwünschte Nebenwirkungen: Wenn der elektrische Reiz länger als wenige Millisekunden andauert, werden toxische Gase produziert, und der pH-Wert verändert sich.“

Die Folgen eines Infarktes, der ja zu dauerhaften Gewebeschädigungen führt, lassen sich durch eine elektrische Kurzzeitreizung natürlich nur äußerst eingeschränkt studieren. Die Lichtstimulation ist dazu viel geeigneter: Die Zellen überstehen auch eine minutenlange Bestrahlung problemlos.

Der Einsatz von Kanal-Rhodopsinen in der medizinischen Forschung ist im Prinzip nicht neu. Sie kommen allerdings bislang vor allem in den Neurowissenschaften zum Einsatz. So können Wissenschaftler mit diesen Licht-Kanälen das Verhalten von Fliegen oder Mäusen steuern – allein durch Bestrahlung mit Blaulicht.

Kontakt:
Juniorprofessor Dr. Philipp Sasse
Institut für Physiologie I
Life&Brain-Zentrum der Universität Bonn
Telefon: 0228/6885-212
E-Mail: philipp.sasse@uni-bonn.de
Professor Dr. Bernd K. Fleischmann
Institut für Physiologie I
Life&Brain-Zentrum der Universität Bonn
Telefon: 0228/6885-200
E-Mail: bernd.fleischmann@uni-bonn.de

Media Contact

Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

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