Vollständiger Überblick mit einem Mouseclick

Ein neues Dokumentationssystem für niedergelassene Hausärzte mit dem Namen CONTENT soll niedergelassenen Ärzten helfen, einen schnelleren Überblick über wichtige Patientendaten – also über Krankheiten, Therapien und Arzneimittelbehandlung – zu bekommen. Und es trägt dazu bei, dass erstmals in Deutschland aussagekräftige Daten über die hausärztliche Arbeit erhoben werden können: Die Dokumentation umfasst nicht nur die Verschlüsselung von Diagnosen, sondern auch die Anlässe für den Arztbesuch sowie Beratungsergebnisse und medizinische Leistungen wie Verschreibungen, Einweisungen und Laboruntersuchungen.

Mit diesem bundesweit einmaligen Projekt möchte die Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg unter Leitung von Professor Dr. Joachim Szecsenyi erstmals für Deutschland umfassende epidemiologische Daten aus Hausarztpraxen gewinnen. CONTENT, das für „Continous morbidity registration network“ steht, wird zur Zeit im Rhein-Neckar-Kreis erprobt.

Akutes Problem kann umgehend in die Krankengeschichte eingeordnet werden

„Nutznießer des neuen Dokumentationssystems wird letztlich der Patient selbst sein“, informiert Dr. Thomas Kühlein, Leiter des Heidelberger Projektes CONTENT und Mitarbeiter der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung. „Der Doktor wird schneller als bisher, nämlich per Mouseclick, über die bisherigen Gesundheitsprobleme seiner Patienten informiert, die hier auf Wunsch nach Diagnosen gelistet sind“, so Dr. Kühlein. Dadurch könne der behandelnde Arzt das akute Problem des Patienten zügig und effektiv in dessen Krankengeschichte einordnen und die Behandlung gezielt einleiten.

Bislang nehmen 17 Hausarztpraxen an dem Projekt teil und erproben an ihren Praxiscomputern ein zuschaltbares Modul für die Software „S3“ der Firma Mediamed Systec GmbH. Spätestens bis 2009 sollen 100 Praxen in das Projekt einsteigen. Die Daten von 38.000 Patienten sind bereits eingegeben.

„Bei CONTENT werden sich die Mediziner nicht mehr darauf beschränken, ihre Diagnose aufzulisten und mit dem jeweiligen Behandlungsdatum zu versehen“, so Dr. Kühlein. Die Hausärzte sollen stattdessen klassifizieren: Warum kommt der Patient zum Arzt? Wie lautet die Diagnose? Was wird gemacht?“, informiert Dr. Kühlein. Auf diese Informationen hat der Arzt später dann entsprechend schnell Zugriff. Sämtliche Daten werden außerdem – verschlüsselt und anonymisiert – zur wissenschaftlichen Auswertung an das CONTENT-Rechenzentrum weitergegeben.

„Epidemiologische Daten von Hausärzten sind in Deutschland bislang kaum verfügbar“, so Professor Joachim Szecsenyi. Untersuchungen zur Häufigkeit von Erkrankungen sowie wissenschaftliche Studien über Diagnosen und veranlasste Leistungen (Medikamente-, Heilmittelverordnungen, Krankenhauseinweisungen, Laboruntersuchungen etc.) liegen in Deutschland nicht vor. Hier bestehe ein großer Forschungsbedarf, so Professor Szecsenyi. Mit CONTENT könnten künftig z.B. Hypothesen zu Häufung oder Rückgang von Allgemeinbeschwerden erstellt werden.

Übliche Diagnosen-Klassifikation ICD-10 für hausärztliche Praxis-Dokumentation wenig geeignet

Klassifizieren müssen Haus- und Fachärzte in Deutschland bislang schon aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Die International Classification of Diseases in ihrer 10. Version (ICD-10) könne durchaus für internationale Morbiditäts- und Mortalitätsvergleiche sinnvoll sein, meint dazu Dr. Kühlein. „Leider ist die ICD-10 weniger geeignet, konkret die tägliche Arbeit in der hausärztlichen Praxis zu unterstützen“, so der Allgemeinarzt.

Die Heidelberger legen für ihre Arbeit jetzt die International Classification of Primary Care (ICPC), die speziell für die hausärztliche Versorgung entwickelt wurde, zugrunde. Dies erlaubt eine dem hausärztlichen Arbeitsansatz angemessene Beschreibung von Krankheitsepisoden („episodes of care“) und Behandlungsergebnissen („health outcomes“). Die Erprobung des neuen Dokumentationssystems wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
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Dr. med. Thomas Kühlein
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Tel.: 06221 /-56-4818
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