Erster Roboter zum sensorüberwachten Fräsen am Schädelknochen

Fräsroboter mit Kraftsensorik im Detail

Roboter werden heutzutage bereits erfolgreich im Operationssaal zum Ausfräsen eines Implantatlagers im Oberschenkelknochen zur Aufnahme einer totalen Hüftendoprothese eingesetzt. Diesen hochpräzise Operationsschritt kann ein Roboter viel genauer durchführen als es ein Mensch könnte. Gerade im Bereich der Kopfes mit der seiner differenzierten Anatomie besteht ein großer Bedarf an hochpräziser Fräsarbeit. So gibt es neben den konventionellen Hörgeräten seit etwa 3 Jahren auch Geräte, die teilweise unter die Haut in den Knochen implantiert werden. Dieser Eingriff kann schwerhörigen oder tauben Menschen wieder zum Hören verhelfen. Zum Implantieren wird im Schädelknochen eine Vertiefung angelegt, in welche die Teile des Hörgeräts eingelegt werden. Dieser Eingriff wird bisher manuell mit einer Fräse durchgeführt. Ein analoger Eingriff mit Ausfräsen eines Teiles des Schädelknochens hinter dem Ohr wird auch z.B. bei bestimmten Tumoren im Ohrbereich notwendig.

Der Schädelknochen ist an manchen Stellen nur wenige Millimeter dünn. Mit größter Vorsicht muss darauf geachtet werden, dass die harte Hirnhaut (Dura Mater) nicht verletzt wird. Noch delikater ist das Fräsen in der Tiefe des Schläfenbeines (der Teil des Schädels, in dem sich das Ohr befindet), weil dort Nervenbahnen verlaufen, die die Gesichtsmuskulatur versorgen. Diese hochpräzise und kraftaufwendige Fräsarbeit ist ermüdend, so dass man hier nach Alternativen sucht.

Roboter fräst erstmals selbständig im Schädelknochen

In einem Kooperationsprojekt hat der Lehrstuhl „Eingebettete Systeme und Robotik“ (RESY) des Fachbereichs Informatik an der Universität Kaiserslautern unter Leitung von Prof. Dr. Dominik Henrich im Jahr 2001 nun einen Roboter entwickelt, der diese Arbeit dem menschlichen Chirurgen abnehmen kann. Innerhalb von neun Monaten Entwicklungszeit wurde ein Prototyp des Systems aus Computer und Roboter entwickelt, das die gesamte Positionierungs- und Fräsarbeit sowie die Kontrolle beim Fräsen an der Schädelbasis übernimmt. In Kooperation mit Prof. Dr. Peter Plinkert, Direktor der Hals-Nasen-Ohren-Klinik an den Universitäten des Saarlandes in Homburg (Saar), wurde das System experimentell an Präparaten erfolgreich getestet.

Sicherheit durch Sensorüberwachung

Dazu ist auf einem konventionellen Industrieroboter eine chirurgische Fräse montiert. Zunächst wählt der Chirurg am Computer das Implantat aus, für das ein Lager gefräst werden soll. Mit Hilfe einer Datenbank, in der die CAD-Formen der Implantate gespeichert sind, wird die gewünschte Fräsbahn automatisch erzeugt. Als nächstes wird der Roboter von Hand an die Eingriffsstelle geführt, und nach einer Bestätigung durch den Chirurgen beginnt der Roboter seine Arbeit. Die Form des implantierbaren Hörgerätes wird Schicht für Schicht selbständig immer tiefer aus dem Schädel ausgefräst.

Dabei werden die Kräfte aufgezeichnet und kontrolliert, die beim Fräsen auftreten. Falls die Kräfte ein sinnvolles Maß überschreiten, wird die Operation unterbrochen, so dass sie immer sicher für den Patienten ist. Da der Roboter die Fräse viel präziser und gleichzeitig kräftiger als ein Mensch führt, kann sehr genau in dem Schädelknochen gefräst werden, ohne die Hirnhaut im geringsten zu verletzen. Ein Durchbruch durch den Knochen wird durch die Sensorunterstützung sofort erkannt und kontrolliert. Außerdem ist durch die präzise Führung des Roboters sogar ein längerer Kontakt des Fräskopfes mit der Hirnhaut möglich.

RONAF – Robotergestützte Navigation zum Fräsen an der lateralen Schädelbasis

Der Fräsroboter wurde auf dem Symposium „Telemedizin und Robotik“ im September 2001 in Homburg dem Fachpublikum vorgestellt. Der Fortbestand des Projektes ist gesichert: Ab 2002 wird es von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogrammes „Medizinische Navigation und Robotik“ gefördert. Weitere Arbeiten am RONAF-Projekt, die Funktionalität, Ergonomie und Geschwindigkeit des bestehenden Systems weiter erhöhen sollen, sind im Gange. In zwei Jahren schließlich werden klinische Untersuchungen angestrebt, bei denen mehreren Patienten robotergestützt Hörgerätsimplantate eingesetzt werden sollen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dominik Henrich
Fachbereich Informatik
AG Eingebettete Systeme und Robotik (RESY)
Tel.: 0631 / 205 2635
E-Mail: henrich@informatik.uni-kl.de

Prof. Dr. Peter K. Plinkert
Direktor der Universitätsklinik für Hals-,
Nasen- und Ohrenkrankheiten in Homburg
Tel.: 06841 / 16 22983
E-Mail: hnoppli@uniklinik-saarland.de

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Angela Michelfelder idw

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