Neue Schweine für den Menschen

In die Xenotransplantation, die Übertragung von Zellen und Organen von Tieren auf den Menschen, werden große Hoffnungen gesetzt, um den massiven Mangel an Spendertransplantaten zu verringern. In einem neuen deutschlandweiten Verbund von Forschergruppen sollen in den nächsten Jahren Schweine entstehen, die mehrfach gentechnisch so verändert sind, dass ihre Zellen und Organe besser verträglich für den Menschen sind. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Vorhaben hat Bruno Reichart, Sprecher der Forschergruppe, auf dem 7. Minisymposium Xenotransplantation im Robert Koch-Institut vorgestellt.

„Bislang verhindern die Abstoßungsreaktionen des Immunsystems, die physiologischen Unterschiede zwischen Tier- und Menschenorgan und die mögliche Übertragung von Mikroorganismen eine klinischen Anwendung der Xenotransplantation“, sagte Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts, bei der Eröffnung der Tagung. Auf dem Symposium diskutieren Transplantationsmediziner, Immunologen, Mikrobiologen, Virologen, Ethiker und Juristen neue Ergebnisse und Vorhaben zur Realisierbarkeit und Sicherheit der Xenotransplantation. Organisiert wird das jährlich stattfindende Treffen von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation und der Deutschen Transplantationsgesellschaft.

Schweine sind wegen ihres Stoffwechsels, der dem des Menschen ähnelt, wegen der vergleichsweise großen mikrobiologischen Sicherheit und aus Kostengründen die favorisierten Spendertiere. In den letzten Jahren wurde eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeiten von gentechnisch veränderten Schweineorganen in Primaten erreicht. Bei dem DFG-Projekt werden die Zellen und Organe der „multitransgenen“ Schweine unter Laborbedingungen auf Langzeitüberleben untersucht. Parallel sollen neue Experimente zur Virussicherheit ausschließen, dass mit den Zellen und Organen vom Schwein krankheitsverursachende Viren auf Menschen übertragen werden.

So genannte Porcine endogene Retroviren (PERVs) stellen ein besonderes Hindernis für die Xenotransplantation dar, da sie in allen Schweinen vorhanden sind und menschliche Zellen infizieren können. Inzwischen gelang es in den USA, gentechnisch veränderte Schweine zu gewinnen, die keine PERVs mehr freisetzen. Weitere Strategien gegen PERVs sind die gezielte Ausschaltung von überlebenswichtigen Genen der Viren durch die so genannte RNA-Interferenz und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen PERVs. „Die Forschung auf diesem Gebiet hat auch wichtige Impulse für die Impfstoffentwicklung bei HIV gebracht, das auch zur der Gruppe der Retroviren zählt“, meint Joachim Denner vom Robert Koch-Institut, der gemeinsam mit Ralf Tönjes vom Paul-Ehrlich-Institut die Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation leitet, und einen neuen Test zum Nachweis von PERVs entwickelt hat.

Weltweit wurden inzwischen etwa 200 Patienten mit Schweinezellen behandelt, z.B. bei einer Übertragung von Schweinehaut auf Patienten mit gravierenden Brandverletzungen oder von verkapselten Inselzellen vom Schwein auf Diabeteskranke, mit unterschiedlichem Erfolg. „Um die Chancen und Risiken der Xenotransplantation besser zu verstehen, sind weiterhin eine intensive naturwissenschaftliche Forschungstätigkeit und eine sachliche öffentliche Diskussion unabdingbar“, unterstreicht Reinhard Kurth.

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Heidrun Wothe idw

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