Veredelte Siliziumstrukturen für kostengünstigere Produktion von Solarzellen
Am IKZ laufen Experimente, um Solarzellen billiger als bisher herstellen zu können
Der Ölpreis steigt auf Rekordniveau, Experten befürchten schon Gefahren für die Weltwirtschaft. Da wird der Ruf nach erneuerbaren Energien wieder lauter. Die Photovoltaik gehört dazu. Doch es gibt ein großes Problem bei der Erzeugung von elektrischem Strom aus Sonnenlicht: das Kosten-Leistungs-Verhältnis. Daher streben Unternehmen und Wissenschaftler danach, den Wirkungsgrad zu erhöhen oder die Solarzellen günstiger herzustellen. Am Berliner Institut für Kristallzüchtung laufen hierzu mehrere Projekte. Einer der verantwortlichen Wissenschaftler dafür ist Dr. Helge Riemann, Experte für Silizium.
Das Halbleitermaterial Silizium ist der wichtigste Baustoff für die Elektronik ebenso wie für Solarzellen. Seine chemischen und physikalischen Eigenschaften führen dazu, dass eindringendes Licht so genannte Ladungsträgerpaare – negative Elektronen und positive „Löcher“ – erzeugt. Die Sonnenstrahlen werden also in elektrische Energie umgewandelt. „Silizium-Solarzellen als Massenprodukt haben einen typischen Wirkungsgrad von 14 bis 16 Prozent“, sagt Riemann. Die meisten Solarzellen aus Silizium sind polykristallin, sie bestehen aus vielen Kristallen.
Es wurden aber auch schon Wirkungsgrade von 23 bis 24 Prozent erreicht. „In Japan sogar für Solarzellen aus der Serienfertigung“, betont Riemann. Die Steigerung um fünfzig Prozent erfordert jedoch eine fast perfekte Kristallstruktur. Solche „Einkristalle“ sind hoch rein und bieten mehr Ausbeute. Sie sind allerdings auch weitaus teurer als herkömmliches Solar-Silizium.
Woran arbeiten nun Riemann und seine Kollegen am IKZ? „Wir wollen kostengünstigere Solarzellen ermöglichen“, sagt Riemann. Dabei verfolgt man am IKZ mehrere Ansätze. Zum einen arbeiten die Wissenschaftler daran, blockförmiges Silizium herzustellen. Bislang sind die meisten gezüchteten Kristalle – ob poly- oder einkristallin – rund. Man spricht von Stäben. Der Durchmesser hoch reiner Kristalle beträgt maximal 200 Millimeter; „das ist aber schon Weltrekord“, sagt Riemann. Aus diesen Stäben können runde Scheiben gesägt werden, die Wafer. Das Problem: Diese Wafer müssen große Solar-Panels ausfüllen, also in eine eckige Form geschnitten werden. Das gibt viel Abfall.
Besser wäre es, gleich viereckige Wafer aus Silizium zu erzeugen. Geschmolzenes Silizium einfach in eine rechteckige Form zu gießen, geht nicht gut. Silizium ist nämlich extrem reaktionsfreudig und verbindet sich mit nahezu allen bekannten Materialien. Riemann formuliert es salopp: „Das Zeug klebt an allem fest.“ Will man den gegossenen Block lösen, zerbricht entweder die Form oder der Block. „Meistens beides“, sagt der Forscher.
Daher wählen die IKZ-Experten einen anderen Weg. Sie versuchen, ohne Gussform Blöcke herzustellen. Eine bekannte berührungsfreie Methode heißt Floating-Zone- Verfahren (kurz: FZ-Verfahren) und ist Standard für runde Kristalle. „Wir versuchen herauszufinden, wie man den Querschnitt eines Silizium-Stabes im FZ-Prozess so verformen kann, dass für quadratische Wafer weniger Abfall und Ausschuss anfällt“, berichtet Riemann, „Das Material besser auszunutzen ist selbst dann noch interessant, wenn es nur polykristallin wächst und der Wirkungsgrad der Zelle sinkt.“
Ein zweiter Ansatz ist es, FZ-Einkristalle billiger als bisher herzustellen. In Zusammenarbeit mit einer dänischen Firma arbeitet das IKZ daran, aus quasi minderwertigem Rohmaterial vergleichsweise reine Kristalle zu ziehen. Zugleich untersuchen Riemann und Kollegen, ob man den Herstellungsprozess dabei beschleunigen kann. Eine höhere Geschwindigkeit bei der Kristallerzeugung führt zwar meist zu mehr Strukturdefekten, doch gewisse Abstriche sind hinnehmbar: „Die Kristalle haben dann schlechtere elektronische Eigenschaften, aber wir wollen sie ja gar nicht in der Elektronik einsetzen“, sagt Riemann. Ziel des Kooperationsprojekts sei es vielmehr, die photovoltaische Qualität zu steigern und das Wachstum zu beschleunigen. „Bisher wurden lediglich Teststrukturen erzeugt“, berichtet der Wissenschaftler, „aber in einer groben Abschätzung kann man von Wirkungsgraden über 20 Prozent ausgehen.“
Ein weiteres, drittes Projekt am IKZ beschäftigt sich sozusagen mit der Veredelung von billigem „metallurgischem“ Silizium. Die Wissenschaftler ziehen Teststäbe aus einem Schmelztiegel. „Nach ersten Erfahrungen sind Einkristalle da nicht ausgeschlossen“, sagt Riemann – das wäre dann ein riesiger Sprung im Qualitäts-Kostenverhältnis.
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