Nanomaterialien – friedliche Zwerge? Nutzen und Visionen einer neuen Technologie

Nanotechnologie bietet grosse Chancen, gravierende Probleme dank neuer Materialien zu lösen. Wo etwa Energie gespeichert oder Luft, Wasser und Boden gereinigt werden muss, warten NanowissenschaftlerInnen mit zahlreichen Ideen auf: Wasser kann mit Nano-Keramiken gesäubert und Energie in nanoporösen Systemen mit hoher Leistungs- und Energiedichte gespeichert werden.

Erste positive Auswirkungen auf die Umwelt zeigen sich bereits, etwa durch die heute üblichen Sonnenschutzmittel mit Nano-UV-Blockern, also mit Partikeln in Nanometergrösse, die vor UV-Strahlen schützen. Seit sie Sonnencrèmes mit organischen UV-Filtersubstanzen ersetzt haben, sind in den Gewässern deutlich weniger Spuren dieser organischen Stoffe zu finden, von denen etliche hormonaktiv sind und im Verdacht stehen, in den Hormonhaushalt von Lebewesen einzugreifen.

Doch oft ist im Zusammenhang mit Nanotechnologie auch von möglichen Gefahren und Risiken zu hören. Wie sind diese neuen Materialien generell zu beurteilen? Sind sie gefährlich, allesamt? Der Nano-Experte Harald Krug, der sich mit seinem Team an der Empa in St.Gallen mit diesen Fragen beschäftigt, präzisiert: Einerseits seien die Unterschiede zwischen den einzelnen Materialien einfach zu gross, als dass Nanomaterialien per se als gefährlich oder unbedenklich bezeichnet werden könnten. Andererseits seien die meisten Materialien, die heute in Nanoprodukten bereits auf dem Markt sind, von den Substanzen her unkritisch.

«Allein die Menge macht das Gift»

Trotzdem betont Krug, es sei ausserordentlich wichtig, sich über mögliche Nachteile Gedanken zu machen – und zwar frühzeitig. Denn ab einer bestimmten Dosis, so der Toxikologe, kann jede Substanz gefährlich – «giftig» – werden. Wo Nanopartikel sich anreichern, können Probleme entstehen. Krug hält es deshalb für eine wichtige Aufgabe in der Nano-Toxikologie, auf potenzielle Gefahrenquellen aufmerksam zu machen. Es ist gezielt zu erforschen, welche Risiken bestehen, und zu untersuchen, welche Nanomaterialien aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften unter welchen Bedingungen eine Gefährdung für Mensch und Umwelt darstellen könnten. Basierend auf diesem Wissen können dann Grenzwerte festgelegt werden, nicht nur für den menschlichen Körper, sondern auch für die Umwelt.

Während für die Wisenschaft gilt, die Risikoforschung voranzubringen, muss in der Industrie das Vorsichtsprinzip walten, fordert Krug: «Wo man nichts weiss, muss sehr vorsichtig agiert werden.» Stets sollte mit dem grösstmöglichen Effekt, den gravierendsten Auswirkungen gerechnet werden. Auf gesetzlicher Ebene heisst dies, die bestehenden Richtlinien anzupassen. Dazu sei aber kein eigenes Nanomaterialien-Gesetz vonnöten, denn Nanomaterialien seien eben auch «nur» Chemikalien, die in den unterschiedlichsten Verordnungen (etwa für Lebensmittel, Kosmetik) bereits berücksichtigt sind.

Miteinander über Nutzen und Risiken sprechen

Über mögliche Risiken bestimmter Nanomaterialien müssen VerbraucherInnen unbedingt informiert werden. «Denn», so ist Krug überzeugt, «wer über Risiken und Nutzen orientiert ist, nimmt häufig sogar ein gewisses Risiko in Kauf – nämlich dann, wenn er sieht, wie viele Vorteile ein neues Produkt mit sich bringt.» Öffentliche Veranstaltungen und Diskussionsforen, in denen sich ForscherInnen mit der Öffentlichkeit austauschen können, hält Krug für ausserordentlich nützlich. So können sich Fachleute und Laien gemeinsam darüber verständigen, welche Probleme dank Lösungsansätzen aus der Nanotechnologie gelöst werden können oder müssen. Krug hat sich deshalb auch für die Ausstellung «Nano! Nutzen und Visionen einer neuen Technologie» am Technoseum in Mannheim engagiert und hält dort am 16. Juni 2010 einen Vortrag.

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Sabine Voser idw

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