Mikrochip ersetzt Chemielabor

Ein computergesteuerter Mikrochip wird der medizinisch-chemischen Forschung eine Revolution bereiten, indem er Kolben, Heizelemente oder Reagenzgläser unnötig macht.

Das berichten Chemiker, Biologen und Ingenieure der University of California in Los Angeles in der Zeitschrift „Lab on a Chip“. Sie entwickelten einen Mikrochip in Briefmarkengröße, der mehrere tausend chemische Reaktionen parallel zulässt. Laut den Wissenschaftlern können durch diese Entwicklung viele biologische und medizinische Forschungsaufgaben effizienter und schneller durchgeführt werden. Das erste Einsatzgebiet soll die beschleunigte Erforschung von Krankheiten sein, will man durch die Vorrichtung mögliche medizinische Wirkstoffe etwa für Krebskrankheiten identifizieren.

Gab es schon bisher ähnliche Mikrochips mit geringer Kapazität, so verfügt die neue US-Entwicklung über eine ganze Sammlung winziger Mengen von Chemikalienproben, die nach Bedarf in tausenden Zyklen komplexer Prozesse miteinander reagieren können.

Statt hintereinander können 1.024 Prozesse gleichzeitig erfolgen, was wesentlich schnellere Ergebnisse bringt als bisher. Bei einem Test gelang dem Chip die Identifizierung eines Hemmers eines Enzyms namens Alpha-Carboanhydrasen binnen weniger Stunden. Eine Form scheint damit gefunden, um durch mehrfache gleichzeitige Reaktionen möglichst schnell zu zeigen, welches Arzneistoffmolekül am besten auf ein Zielproteinenzym wirkt. Gesteuert wird der Chip durch einen angeschlossenen Computer, den Nachweis der Reaktionen lieferte im Experiment ein Massenspektrometer.

Grundlage der Entwicklung ist einerseits die sogenannte Mikrofluidik, bei der unsichtbar kleine Mengen an Flüssigkeiten und Gasen auf kleinstem Raum bewegt, gemischt, getrennt oder anderweitig behandelt werden. In den chemischen Reaktionen greift man andererseits auf die Technik der „Click-Chemie“ zurück, die Zielmoleküle aus kleineren Einheiten synthetisiert und dies auf schnellere und zielgerichtetere Weise vollbringt als dies in der Natur geschieht. Eingesetzt wird dieser Prozess oft in der Identifizierung von Molekülen, die möglicherweise in Medikamenten eingesetzt werden können und an Proteinenzyme gebunden sind, um so eine Wirkung in einer Zelle entweder zu aktivieren oder zu verhindern.

„Teure Enzymmoleküle, die man früher für eine kleine Click-Reaktion in einem Labor brauchte, können nun in hunderte Duplikate aufgeteilt werden, um eine Vielzahl paralleler Reaktionen zu ermöglichen“, erklärt Forschungsleiter Hsian-Rong Tseng. Die Tatsache, dass weniger Reagenten verbraucht werden und die Suche nach Kandidaten für Medikamentenwirkstoffe beschleunigt wird, käme der Revolution der Laborarbeit gleich. Kym F. Faull, ebenfalls an der Forschung beteiligter Direktor des UCLA-Massenspektrometerlabors, sieht in der Entwicklung die Chance finanzieller Einsparungen. „Das System erlaubt den Forschen nicht nur das schnellere Testen von Inhaltsstoffen, sondern verbraucht auch nur kleinste Mengen an Material. Das reduziert erheblich Wartezeit im Labor und Kosten.“

Als „hochrelevant“ bezeichnet Thomas Henkel, Leiter der Abteilung Mikrofluidik am Institut für Photonische Technologien Jena http://www.ipht-jena.de , im pressetext-Interview die Forschung der US-Kollegen. „Komplexe Laborabläufe werden damit derart miniaturisiert und parallelisiert, dass sie für den Anwender verfügbar werden.“ Bedeutend sei die Technik vor allem für Forschungs- und Industrieanwendungen. Die Entwicklung von Mikrofluidik und Lab on a Chip sei in den letzten 15 Jahren erfolgt, wobei es vor drei Jahren zu einem Paradigmenwechsel gekommen sei. „Besonders Anwender aus Biowissenschaften und Biomedizin drängen nun auf den Einsatz in der Forschung. Proben müssen immer kleiner werden und die Untersuchung von Therapieentwicklungen wird zunehmend auf die Einzelebene verlagert, was entsprechend kleine Analysegeräte erfordert. Es führt kein Weg an der Mikrofluidik vorbei“, so der Jenaer Forscher.

Download des am 21. August erscheinenden Originalartikels bereits vorab unter http://www.rsc.org/Publishing/Journals/LC/article.asp?doi=b907430a

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Johannes Pernsteiner pressetext.deutschland

Weitere Informationen:

http://www.crump.ucla.edu

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