„Prognosen sind schwierig, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen“, sagte der dänische Physiker Niels Bohr – wahrscheinlich, denn das Zitat wird mindestens fünf Menschen zugeschrieben. Mit Wahrscheinlichkeit sind auch Prognosen verknüpft, insbesondere wenn sie komplexe Ereignisse wie das Wetter oder die Konjunktur betreffen. Mit den mathematischen Grundlagen solcher Vorhersagen befasst sich Tilmann Gneiting.
Eine 24-Stunden-Ensemble-Temperaturvorhersage für Deutschland, mit acht verschiedenen deterministischen Vorhersagen.
Bild: HITS/Gneiting
Der Mathematiker nahm jetzt als Leiter der neuen Forschungsgruppe „Computational Statistics“ am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) und als W3-Professor am Institut für Stochastik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) seine Arbeit auf. Dienstort der Professur ist das HITS. Die gemeinsame Berufung dokumentiert die intensive Zusammenarbeit der beiden Institutionen. Mit Tilmann Gneiting und Alexandros Stamatakis (Bioinformatik) sind jetzt zwei HITS-Forscher als Professoren am KIT tätig.
„Die neue Gruppe ist ein wichtiger Baustein in unserem Konzept“, sagt Klaus Tschira, der das HITS 2010 als gemeinnütziges Forschungsinstitut der Klaus Tschira Stiftung ins Leben gerufen hat. „Denn die Datenmenge in der Wissenschaft steigt exponentiell, und mathematische Methoden sind unerlässlich, um die riesigen Datenberge sinnvoll zu durchdringen.“
Tilmann Gneiting (47) studierte Mathematik und Geoökologie an den Universitäten Stuttgart, Bayreuth und Boston (USA). Er promovierte 1997 in Bayreuth und wechselte dann an die University of Washington in Seattle (USA), wo er am dortigen Institut für Statistik den tenure track vom assistant professor bis zum full professor durchlief. 2009 kehrte der gebürtige Backnanger mit Unterstützung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung zurück nach Deutschland, als Professor für Mathematische Statistik am Institut für Angewandte Mathematik der Universität Heidelberg. 2011 erhielt er einen ERC Advanced Grant in Höhe von 1,7 Millionen Euro zur Unterstützung seiner Forschungsarbeiten.
Tilmann Gneiting konzentriert sich in seiner Forschung auf zwei Schwerpunkte: die Theorie und Praxis von Vorhersagen, und die räumliche Statistik. „In der Forschung hat sich ein Paradigmenwechsel von der deterministischen zur probabilistischen Vorhersage vollzogen“, sagt Tilmann Gneiting. „Bei Wetterprognosen sprechen wir nicht mehr davon, dass es morgen regnen wird, sondern wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist. Die probabilistische Vorhersage mag für Entscheidungsträger unbequem sein, weil sie nicht vermeidbaren Unsicherheiten Rechnung trägt. Aber sie ist näher an der Wahrheit und erlaubt bessere Entscheidungen.“
Wissenschaftler arbeiten heute oft mit sogenannten Ensemble-Prognosen, in die eine Vielzahl von deterministischen Vorhersagen eingebunden ist. Ein Prognosemodell wird mehrfach durchgerechnet, mit jeweils veränderten Anfangswerten und Parametern. Dabei entstehen Wahrscheinlichkeitsaussagen für zukünftige Ereignisse.
Eine probabilistische Wettervorsage in Echtzeit hat Tilmann Gneiting mit seinen US-Kollegen vor einigen Jahren für den Bundesstaat Washington konstruiert. Unter http://www.probcast.com stehen die Vorhersagen, die in Echtzeit gerechnet werden, jedem Nutzer zur Verfügung. Gneiting verknüpfte dabei Ensemblevorhersagen mit neu entwickelten statistischen Verfahren und fütterte den Computer mit dem Wettergeschehen des jeweils vergangenen Monats.
„Dieses Verfahren wenden viele nationale Wetterdienste an“, sagt Tilmann Gneiting, der mit zahlreichen meteorologischen und hydrologischen Organisationen kooperiert, unter anderem mit dem Deutschen Wetterdienst, der Bundesanstalt für Gewässerkunde und dem Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage.
Der Mathematiker beschäftigt sich außerdem mit Prognosemodellen für die Ökonomie. Er arbeitet derzeit an Publikationen zur Vorhersage von konjunkturellen Entwicklungen, wie zum Beispiel Inflationsraten oder Bruttoinlandsprodukt.
In seinem zweiten Forschungsschwerpunkt räumliche Statistik erzeugt Tilmann Gneiting mit seiner Forschungsgruppe künstliche Welten auf dem Computer, um sie mit vorgegebenen Eigenschaften zu versehen, zum Beispiel Windfelder oder Landschaftsformen. Mit diesem „virtuellen Material“ kann er die vorhandenen Daten sichtbar machen, interpretieren und ergänzen. Diese Grundlagenforschung könnte in Zukunft helfen, optimale Standorte für Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien zu finden.
Pressekontakt:
Dr. Peter Saueressig | idw
Weitere Informationen:
http://www.h-its.org
http://www.h-its.org/deutsch/presse/index.php?we_objectID=1037&pid=0
Weitere Berichte zu: > ERC Advanced Grant > HITS > Mathematik > Mobile phone > Pollenvorhersage > Prognosemodell > Wahrscheinlichkeit > Wetterdienst
Kieler Forschende entschlüsseln neuen Baustein in der Entwicklung des globalen Klimas
20.04.2018 | Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Von GeoFlow zu AtmoFlow
20.04.2018 | Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Physiker des Labors für Attosekundenphysik, der Ludwig-Maximilians-Universität und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik haben eine leistungsstarke Lichtquelle entwickelt, die ultrakurze Pulse über einen Großteil des mittleren Infrarot-Wellenlängenbereichs generiert. Die Wissenschaftler versprechen sich von dieser Technologie eine Vielzahl von Anwendungen, unter anderem im Bereich der Krebsfrüherkennung.
Moleküle sind die Grundelemente des Lebens. Auch wir Menschen bestehen aus ihnen. Sie steuern unseren Biorhythmus, zeigen aber auch an, wenn dieser erkrankt...
Physicists at the Laboratory for Attosecond Physics, which is jointly run by Ludwig-Maximilians-Universität and the Max Planck Institute of Quantum Optics, have developed a high-power laser system that generates ultrashort pulses of light covering a large share of the mid-infrared spectrum. The researchers envisage a wide range of applications for the technology – in the early diagnosis of cancer, for instance.
Molecules are the building blocks of life. Like all other organisms, we are made of them. They control our biorhythm, and they can also reflect our state of...
Schweißen ist noch immer die Standardtechnik, um Metalle miteinander zu verbinden. Doch das aufwändige Verfahren unter hohen Temperaturen ist nicht überall...
Ein computergestütztes Netzwerk zeigt, wie die Ionenkanäle in der Membran von Nervenzellen so verschiedenartige Fähigkeiten wie Kurzzeitgedächtnis und Hirnwellen steuern können
Nervenzellen, die auch dann aktiv sind, wenn der auslösende Reiz verstummt ist, sind die Grundlage für ein Kurzzeitgedächtnis. Durch rhythmisch aktive...
Von einer einzigen Stammzelle zur Vielzahl hochdifferenzierter Körperzellen: Den vollständigen Stammbaum eines ausgewachsenen Organismus haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Berlin und München in „Science“ publiziert. Entscheidend war der kombinierte Einsatz von RNA- und computerbasierten Technologien.
Wie werden aus einheitlichen Stammzellen komplexe Körperzellen mit sehr unterschiedlichen Funktionen? Die Differenzierung von Stammzellen in verschiedenste...
Anzeige
Anzeige
Fraunhofer eröffnet Community zur Entwicklung von Anwendungen und Technologien für die Industrie 4.0
23.04.2018 | Veranstaltungen
Mars Sample Return – Wann kommen die ersten Gesteinsproben vom Roten Planeten?
23.04.2018 | Veranstaltungen
Internationale Konferenz zur Digitalisierung
19.04.2018 | Veranstaltungen
23.04.2018 | Physik Astronomie
Sauber und effizient - Fraunhofer ISE präsentiert Wasserstofftechnologien auf Hannover Messe
23.04.2018 | HANNOVER MESSE
Fraunhofer IMWS entwickelt biobasierte Faser-Kunststoff-Verbunde für Leichtbau-Anwendungen
23.04.2018 | Materialwissenschaften