Der perfekte Schleim

Die Mikrobiologen und Wasserforscher Prof. Dr. Hans-Curt Flemming und Dr. Jost Wingender von der Universität Duisburg-Essen (UDE) zeigen auf, was die Natur für eine komplexe und gleichzeitig geniale Matrix geschaffen hat.

Nur die wenigsten Bakterien auf der Welt kommen als winzige Einzelzellen in Wasser vor – die allermeisten führen ein Gemeinschaftsleben mit allen möglichen anderen Mikroorganismen in einer unansehnlichen Schleimhülle. Die aber birgt ihr Erfolgsgeheimnis.

Die Mikrobiologen und Wasserforscher Prof. Dr. Hans-Curt Flemming und Dr. Jost Wingender von der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben in einer jetzt publizierten Arbeit in „Nature Reviews Microbiology“ gezeigt, was die Natur da für eine komplexe und gleichzeitig geniale Matrix geschaffen hat.

Sie ist eine der Ursachen dafür, dass so genannte Biofilme entstehen können: die älteste Form des Lebens auf der Erde. Zugleich ist sie die am weitesten verbreitete und die erfolgreichste – es gibt davon Milliarden von Tonnen.

Ihre Bausteine bestehen aus verschiedenen Biopolymeren, wie Proteine, Polysaccharide und Nucleinsäuren. Sie binden viel Wasser und bilden eine Matrix. In ihr können die verschiedenen Biofilm-Bewohner über längere Zeit hinweg in stabilen Anordnungen bleiben, „Mikrokonsortien“ genannt, in denen sie auch komplizierte Verbindungen abbauen können.

Sie scheiden Enzyme aus, die in der Matrix hängen bleiben, so dass auch ihre Produkte in der Nähe bleiben und gut verwertet werden – auf diese Weise bilden sie gewissermaßen ein externes Verdauungssystem, das biologisch Verwertbares auf „mundgerechte Größe“ zerkleinert.

Baumfressende Biofilme

Damit können sie alles abbauen, was biologisch abbaubar ist – so können Biofilme sogar Bäume fressen. Flemming: „Sie brauchen zwar lange dafür, aber sie siedeln sich darauf an und zersetzen sie.“ In der Matrix reichern sie nicht nur die gelösten Stoffe an, sondern auch die Partikel aus dem Abwasser. In Müllhalden vollbringen sie so auch die biologische Abfallbeseitigung.

Sie sind die globale Putzkolonne, Träger der Selbstreinigungskräfte im Boden, in Gewässern und technisch in allen Biofiltern genutzt. Gleichzeitig ist die Matrix ein perfektes Recycling-System, das auch abgestorbene Zellen nahezu vollständig wiederverwertet. Wenn Biofilme trockenfallen, hält die Matrix das Wasser zurück, das ihre Bewohner zum Leben brauchen. Bei Bedarf können sie diese Matrix auch umbauen und letzten Endes sogar als Nährstoff verwenden.

Allerdings gibt es keinen Bakterienstamm, der sämtliche Matrix-Bestandteile abbauen kann – so etwas wäre eine Naturkatastrophe, von der die gesamte Selbstreinigung des Planeten betroffen wäre. Aber das ist nicht zu befürchten. Im Laufe der Evolution haben sich so viele verschiedene Varianten dieser Bestandteile entwickelt, dass Enzyme nur Löcher in den Biofilm fressen, ihn aber nicht vollständig beseitigen.

Die Matrix ist sozusagen das „Haus für Biofilm-Bewohner“, ihre unmittelbare Umgebung. Sie gibt ihnen Halt, hilft ihnen bei der Ernährung und erlaubt ihnen, auch unter ungünstigsten Bedingungen am Leben zu bleiben. Flemming: „Es ist schon faszinierend, welche perfekte Funktion hinter so einem unansehnlichen Stück Natur steckt.“

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hans-Curt Flemming, Biofilm Centre, Tel. 0201/183-6601, 0172/90 66 119, 0208/40 30 34 01, hc.flemming@uni-due.de

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Beate Kostka idw

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