Neue Wirkstoffe gegen Infektionskrankheiten

Mehr als 100 Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, mit weltweit führenden Forschern aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse zu diskutieren. Dazu eingeladen hatte der Würzburger Sonderforschungsbereich 630.

Trotz der raschen medizinischen Entwicklung sind Infektionskrankheiten weltweit immer noch die Ursache Nummer eins für ca. 30 Prozent aller Todesfälle. Glaubte man noch vor wenigen Jahren, viele Krankheitserreger mehr oder weniger besiegt zu haben, sieht man sich heute vielfach mit dem Problem konfrontiert, dass bekannte Erreger zunehmend resistent gegen gängige, bewährte Medikamente werden. Auch das Auftreten von bisher unbekannten Erregern, wie jetzt beispielsweise bei der neuen Grippe, die sich zudem durch den weltweiten Reiseverkehr immer schneller verbreiten können, zeigt die Dringlichkeit, neue Medikamente zu entwickeln.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Diesem Ziel widmet sich der Sonderforschungsbereich 630 an der Universität Würzburg. In ihm suchen Wissenschaftler nach neuen Substanzen, die sich für die Therapie von Tropen- und anderen Infektionskrankheiten eignen. Dafür arbeiten Wissenschaftler zahlreicher Disziplinen zusammen: Mikrobiologen, die die Erreger kennen und analysieren können; Kliniker, die den Bedarf an Wirkstoffen definieren; Chemiker und Pharmazeuten, die neue Wirkstoffe in verschiedenartigsten natürlichen Quellen wie beispielsweise Pflanzen und Mikroorganismen suchen, identifizieren und synthetisch nachbauen und schließlich mit Blick auf eine pharmazeutische Nutzbarmachung in ihrer Wirkung optimieren und modifizieren; Physiker, die modernste Technologien zur Analyse der Wirkmechanismen nutzen; und Theoretiker, die Wirkmechanismen und Optimierungsstrategien vorschlagen können. Aus all diesen Bereichen fanden sich denn auch Vertreter auf dem Symposium.

Schwierige Suche nach neuen Wirkstoffen

Obwohl die Genome der wichtigsten Krankheitserreger bereits im Detail bekannt sind und sich auf dieser Grundlage genaue Vorhersagen von möglichen Zielen für neue Wirkstoffe tätigen lassen, versagen viele dieser neu entwickelten Antibiotika bei der Testung im Menschen, berichtete Privatdozentin Dr. Heike Brötz-Oesterhelt von der Firma Aicuris in Wuppertal.

Daher geht der Trend auf der Suche nach neuen Wirkstoffen eindeutig wieder dahin zurück, Naturstoffe als Quelle zu nutzen. So konnte Professor Roderich Süssmuth an der Technischen Universität Berlin aus 900 verschiedenen bakteriellen Extrakten Substanzen isolieren, die in Bakterien in einem frühen Schritt die Synthese von Folat, einem wichtigen Zwischenprodukt in verschiedenen Stoffwechselwegen, hemmen.

Für die Optimierung der so identifizierten Wirkstoffe ist dann die Kenntnis des detaillierten dreidimensionalen Aufbaus ihres Angriffsziels nötig. Professor Serge van Calenbergh von der Universität Gent (Belgien) zeigte an einem neuen Malariamittel, das ursprünglich ebenfalls aus Bakterien isoliert wurde, dass durch die gezielte, von der Form des Angriffsziels geleitete Veränderung der chemischen Struktur die Wirksamkeit um ein Vielfaches erhöht werden kann.

Neben der Identifizierung von antibiotischen Aktivitäten aus natürlichen Extrakten, dem sogenannten „Screening“, schreitet aber auch das rationale, geplante Design von Wirkstoffen rasant voran. Professor Roderick Hubbard aus York (Großbritannien) sucht, ebenfalls geleitet durch den Aufbau des Angriffsziels, kleine wirksame Moleküle, um sie anschließend nach dem Baukastenprinzip zu einer großen, hochwirksamen Struktur zu vereinigen. Einige dieser Substanzen werden mittlerweile in klinischen Studien untersucht.

Der Sonderforschungsbereich 630

Im Sonderforschungsbereich 630 verfolgen seit dessen Gründung im Jahr 2003 rund 60 Wissenschaftler aus vier Fakultäten und dem Tropenmedizinischen Institut der Missionsärztlichen Klinik diesen integrativen interdisziplinären Ansatz. Aktuell werden unter seinem Dach 16 Einzelvorhaben zum Thema „Neue Wirkstoffe gegen Infektionskrankheiten“ mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Sein Sprecher ist der Inhaber des Lehrstuhls I für Organische Chemie, Professor Gerhard Bringmann.

Die nächste Gelegenheit zum Wissensaustausch steht schon fest: Vom 19. bis 21. November findet in Heidelberg ein gemeinsames Doktorandensymposium der Sonderforschungsbereiche 544 (Control of Infectious Diseases), 766 (The Bacterial Cell Envelope: Structure, Function, and Infection Interface) und 630 statt. Zum fünften Mal werden dann Doktoranden ihre aktuellen Arbeiten in Vorträgen und Posterpräsentationen vorstellen.

Kontakt:

PD Dr. Heike Bruhn, T: (0931) 31 82 141, E-Mail: heike.bruhn@mail.uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Gerhard Bringmann, T: (0931) 31 85 323, E-Mail: bringman@chemie.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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