Wie das Gehirn aus Lichtreizen Bildeindrücke konstruiert

Illustriert sind wenige Quadratmillimeter der Oberfläche des primären visuellen Gehirnareals. Jede Farbe markiert Bereiche, in denen Nervenzellen lokalisiert sind, die bevorzugt dann aktiv sind, wenn Objektkonturen mit unterschiedlichen Kantenorientierungen verarbeitet werden. Die Helligkeit gibt an, wie zuverlässig die Gehirnsignale sind. Schematisch projiziert sind Aktionspotenziale einzelner Nervenzellen.<br>

Wie konstruiert unser Gehirn aus den mannigfaltigen Lichtreizen, die auf das Auge treffen, ein robustes Bild? Bei diesem komplexen Ablauf sind weit verzweigte Netzwerke von Nervenzellen im Einsatz, deren Zusammenwirken Forscher aus Deutschland und Israel in einem neuen Kooperationsprojekt ergründen. Koordinator auf deutscher Seite ist Dr. Dirk Jancke (RUB-Institut für Neuroinformatik).

Die Forscher setzen dabei in Kombination mit der funktionellen Magnetresonanztomographie ein neuartiges bildgebendes Verfahren ein, das es dank Licht emittierender Farbstoffe erlaubt, Gehirnaktivität mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung zu verfolgen. Das Projekt wird ab Januar 2012 vom Bundesforschungsministerium (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 1,55 Mio. Euro gefördert.

Kombination zweier bildgebender Techniken soll neue Aufschlüsse geben

Im Gehirn werden komplexe Informationsinhalte nicht durch einzelne Nervenzellen repräsentiert, sondern durch ihr Zusammenwirken in weitverzweigten Netzwerken. Um diese weitreichenden Dynamiken abbilden und verstehen zu können, kombinieren die Forscher zwei bildgebende Verfahren und Computersimulationen. Die Arbeitsgruppe um Dr. Jancke gehört zu den weltweit führenden in der neuen optischen Technik VSDI („Voltage-Sensitive Dye Imaging“). Dank fluoreszierender, elektrisch sensibler Farbstoffe lässt sich damit die Gehirnaktivität in hoher raum-zeitlicher Auflösung abbilden. Die neue Technik wird kombiniert mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), die bereits routinemäßig in der medizinischen Diagnostik genutzt wird. „Sie hat allerdings den Nachteil einer relativ geringen raum-zeitlichen Auflösung“, erklärt Dr. Jancke. „Einzigartig für unser Projekt ist, dass wir die beiden unterschiedlichen bildgebenden Methoden mit exakt gleichen Stimulationsprotokollen einsetzen und damit die Ergebnisse erstmals direkt vergleichen können.“ Computer-Simulationen der gewonnenen Daten sollen helfen, Modellvorstellungen darüber zu entwickeln, wie aus Lichtreizen im Gehirn robuste Bildeindrücke entstehen.

Grundlagen für Diagnostik und Mensch-Maschine-Interaktion

Aus ihren Ergebnissen hoffen die Wissenschaftler Modellvorstellungen über die Funktionsweise unseres Gehirns auf verschiedenen raum-zeitlichen Skalen entwickeln zu können. Damit wollen sie die Grundlage schaffen für neue medizinische Diagnoseverfahren, Mensch-Maschine Interaktionen und intelligente Bildanalysesysteme.

Deutsch-israelische Zusammenarbeit

Am Projekt mit dem Titel „Decoding visual content and perception from neuronal population activity in visual cortex: VSDI, fMRI and computational modeling” sind neben der Arbeitsgruppe von Dr. Dirk Jancke Forschergruppen der Bar-Ilan University (Dr. Slovin, Koordination Israel) und des Weizmann Institute of Science (Prof. Ullman) aus Israel sowie das Bernstein Center for Computational Neuroscience (Prof. Haynes), Berlin, beteiligt. Das Projekt wird für fünf Jahre durch das BMBF und die Deutsche Forschergemeinschaft (DFG) gefördert. Mit der Einrichtung des Programms Deutsch-Israelische Projektkooperation (DIP) wurde eine Kooperationssäule zwischen Israel und Deutschland errichtet, um interdisziplinäre Spitzenforschung beider Länder zu fördern.

Weitere Informationen

Dr. Dirk Jancke, Real-time Optical Imaging Group, Institut für Neuroinformatik NB 2/27, Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel: 0234 32-27845, E-Mail: dirk.jancke@rub.de, Homepage: http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/Dirk.Jancke/

Redaktion: Meike Drießen

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Dr. Josef König idw

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