Die frühen Verwandten der Blütenpflanzen – Röntgenbilder von fossilen Samen

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Paul Scherrer Instituts (PSI) in der Schweiz hat in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ Ergebnisse veröffentlicht, welche die kontrovers diskutierte Frage neu beleuchten.

Anhand von fossilen Pflanzensamen, die mit neuen dreidimensionalen und zerstörungsfreien bildgebenden Verfahren untersucht wurden, können die Wissenschaftler eine frühere Theorie bestätigen, die durch molekulargenetische Analysen in Zweifel gezogen wurde.

Es gleicht der Suche nach dem Heiligen Gral: Seit über hundert Jahren rätseln die Botaniker, wie sich die Blütenpflanzen, die heute artenreichste Pflanzengruppe auf der Erde, vor rund 130 Millionen Jahren entwickelt haben könnten. Für Diskussionsstoff sorgt vor allem, dass molekulargenetische und phänomenologische Untersuchungen widersprüchliche Antworten liefern. Eine zentrale Rolle in dieser Diskussion spielen die Gnetophyten, zapfentragende Samenpflanzen, von denen es inzwischen nur noch wenige exotische Arten gibt. Studiert man die Morphologie (Gestaltlehre) der heute lebenden Arten und die Überreste von fossilen Pflanzen aus erdgeschichtlicher Zeit, dann deutet vieles darauf hin, dass die Gnetophyten mit den Blütenpflanzen und den Bennettitales, einer ausgestorbenen artenreichen Pflanzengruppe, eng verwandt sind. Diese drei Gruppen würden demnach gemeinsam die Übergruppe der sogenannten Antophyten bilden. Genetische Untersuchungen hingegen liessen den Schluss zu, dass die Gnetophyten mit den Nadelhölzern (Koniferen) verwandt sind. Die korrekte Einordnung der verschiedenen Gruppen ist entscheidend, weil sich daraus die Entwicklungsgeschichte der Blütenpflanzen ableiten lässt.

Gut erhaltene Überreste – bisher wenig beachteter Schatz

Das internationale Forschungsteam mit Beteiligung des PSI stützt nun mit seinen Resultaten die angezweifelte Antophyten-Hypothese: Die Wissenschaftler haben fossile Pflanzensamen aus Portugal und Nordamerika untersucht. Dabei handelt es sich um verkohlte, aber noch sehr gut erhaltene Überreste, die zwischen 70 und 120 Millionen Jahre alt sind. Zu dieser Zeit gab es auf der Erde viel mehr Pflanzenarten als heute. Diese ausgestorbenen Arten stellen einen bisher noch wenig beachteten Schatz dar, der ganz neue Einblicke in die Verwandtschaftsverhältnisse der verschiedenen Pflanzengruppen ermöglicht.

Markant verbesserte Bildgebung – klar, präzis und schneller

Die Wissenschaftler haben für ihre Studie die Samen an der TOMCAT-Strahllinie der Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) am PSI analysiert. Mit Hilfe einer neuen Phasenkontrast-Methode – genannt MBA – konnten sie die innere Struktur der Samen zerstörungs¬frei abbilden. Im Vergleich zur gängigen Mikrotomografie mit Synchrotronstrahlung basiert die Phasenkontrast-Methode auf der Beugung der Röntgenstrahlung. Dadurch können auch Untersuchungsobjekte selbst mit geringen Kontrastunterschieden klar und präzis abgebildet werden. Den Forschern kam dabei zugute, dass die an sich seit längerem bekannte Methode am PSI markant verbessert werden konnte: Für eine einzelne Messung benötigt man nicht mehr mehrere Stunden wie früher, sondern nur noch wenige Minuten.

Die Bildaufnahmen der fossilen Samen bestätigen nun, dass Gnetophyten, Bennettitales und Blütenpflanzen viele ähnliche Eigenschaften haben und demnach eng verwandt sein müssen. Diese drei Pflanzengruppen haben also gemeinsame Vorfahren, die sich bereits vor der Entstehung der eigentlichen Blütenpflanzen von den Nadelhölzern (wie Tannen, Fichten, Kiefern) abgespalten hatten.

Quelle: Nature, Band 450, Nummer 7169, 22. November 2007; www.nature.com/nature

Für weitere Auskünfte:
Dr. Marco Stampanoni, Labor für Synchrotronstrahlung, PSI; Telefon +41 (0)56 310 47 24; marco.stampanoni@psi.ch

Prof. Dr. Else Marie Friis, Swedish Museum of Natural History, Stockholm; Telefon +46 8 519 541 55, else.marie.friis@nrm.se

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Beat Gerber idw

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