Schaltbare Nanoventile: pH-sensitive Pseudorotaxane als reversibler Verschluss für Wirkstoff-Nanotransporter

Ventile begegnen uns im täglichen Leben überall, sei es im Wasserhahn, sei es im Vergaser unseres Automotors, sei es an unserem Fahrradschlauch.

Ventile gibt es aber auch in der Nanowelt. Ein Team aus Forschern um J. Fraser Stoddart und Jeffrey I. Zink von der University of California (Los Angeles, USA) hat nun ein neues Nanoventil entwickelt. In der Zeitschrift Angewandte Chemie verraten die Wissenschaftler, was das Besondere daran ist: Anders als seine Vorgängermodelle, die nur in organischen Lösungmitteln funktionieren, arbeitet dieses Ventil im wässrigen Milieu und unter physiologischen Bedingungen – Voraussetzung für einen Einsatz als Verschluss nanoskopischer Transportmittel für Pharmaka, die ihre Fracht zur richtigen Zeit am richtigen Ort freisetzen sollen.

Damit Pharmaka gezielt nur im erkrankten Organ wirken, braucht man geeignete Nanoverpackungen, die den Wirkstoff zum Zielort transportieren und auch nur dort herauslassen. Gute nanoskopische Packmittel sind beispielsweise winzige Kügelchen aus einem porösen Silikat. Die Poren werden mit dem Wirkstoff befüllt und müssen dann mit winzigen regelbaren Ventilen verschlossen werden.

Die Wissenschaftler knüpften stielförmige Moleküle auf die Oberfläche der porösen Kügelchen und füllten die Poren mit Gastmolekülen. Bei neutralen bis sauren pH-Werten stülpten sie Cucurbituril-Moleküle auf diese „Stiele“. Cucurbituril ist ein dickes, ringförmiges Molekül mit einer Form, die an einen beidseitig ausgehöhlten Kürbis erinnert. Das entstehende supramolekulare Gebilde, das wie ein aufgespießter Kürbis aussieht und von Chemikern als Pseudorotaxan bezeichnet wird, blockiert nun die Poren, sodass die Gastmoleküle nicht austreten können. Die Nanoventile sind geschlossen.

Wird jedoch der pH-Wert ins Basische erhöht, wird die Wechselwirkung zwischen „Kürbissen“ und „Spießen“ geschwächt, die Kürbisse lösen sich ab und machen die Porenausgänge wieder frei. Die Ventile sind nun offen, die Gastmoleküle treten aus.

Nun muss noch an den molekularen Details der einzelnen Komponenten gefeilt werden. Das Ziel: sehr kleine Unterschiede im pH-Wert zwischen gesundem und krankem Gewebe sollen dann ausreichen, um die Ventile zu schalten und den Wirkstoff nur in kranken Zellen freizusetzen.

Angewandte Chemie: Presseinfo 10/2008

Autor: Jeffrey I. Zink, University of California, Los Angeles (USA), http://www.chem.ucla.edu/dept/Faculty/jzink/

Angewandte Chemie 2008, 120, No. 12, 2254-2258, doi: 10.1002/ange.200705211

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69495 Weinheim, Germany

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer