Auf dem Weg zum Quantencomputer: Physiker haben Effekt entdeckt, der Spinströme verstärkt

Damit hat das Forscherteam einen wichtigen Baustein für sogenannte spintronische Geräte realisiert, die – so eine Zukunftsvision – durch Spinströme eine Datenübertragung in bislang unerreichbarer Schnelligkeit möglich machen sollen. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Online-Ausgabe des renommierten Fachmagazins „Nature Materials“ veröffentlicht.

Der Elektronen-Spin ist eine quantenmechanische Größe, die eine Art Drehbewegung der Elektronen mit einem entsprechenden Drehimpuls beschreibt. Der Spin kann zwei Orientierungen zu einer vorgegebenen Achse einnehmen – oben oder unten. „Man kann sich den Spin eines Elektrons als Pfeil vorstellen. Zeigen die Pfeile nicht zufällig nach oben oder unten, sondern alle in eine Richtung, fließt zusammen mit dem elektrischen Strom ein Spinstrom, wenn Elektronen in Bewegung sind.“ Das erklärt Prof. Dr. Sergej Demokritov vom Institut für Angewandte Physik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der die Studie geleitet hat.

Elektrische Ströme nutzt man in alltäglicher Elektronik. Spinströme bilden die Basis für Spintronik. In einem spintronischen System ermöglichen die Spinströme eine schnelle Datenübertragung, -bearbeitung und -speicherung. Durch die Spintronik, so die Vision der Wissenschaftler, könnte einst der Quantencomputer Wirklichkeit werden, der die leistungsstärksten Supercomputer von heute bei Weitem übertrifft.

Während elektrischer Strom immer weitergeleitet wird, „versiegt“ der Spinstrom jedoch, weil die Pfeile sich mit der Zeit wieder zufällig anordnen. Entsprechend wird Drehimpuls an das Kristallgitter übergeben. „Um dies zu verstehen, stellt man sich am besten zwei miteinander verbundene Wasserbecken vor“, erklärt Sergej Demokritov. „Das eine Becken repräsentiert ein Kristallgitter, das aus einzelnen Atomen besteht. Das andere Becken stellt ein magnetisches System innerhalb des Gitters dar, das wir durch ein äußeres Magnetfeld angeregt haben. Aus dem einen Becken fließt das Wasser in das andere Becken, bis der Wasserstand gleich ist. Ähnlich ist es mit dem Spin oder Drehimpuls. Überschüssiger Drehimpuls aus dem magnetischen System wird auf die Atome des Kristallgitters übertragen. Am Ende fließt kein Spinstrom mehr.“

Den Physikern ist es nun erstmals gelungen, den Drehimpuls-Fluss umzukehren. Der entdeckte Effekt sorgt dafür, dass das Kristallgitter selbst Drehimpuls an das magnetische System abgibt und dort den Spinstrom verstärkt. „Dadurch ist ein Spinstrom-Transistor realisiert worden. Analog einem herkömmlichen Transistor, der elektrische Signale verstärkt, kann er in spintronischen Geräten eingesetzt werden“, sagt Sergej Demokritov.

Literatur: Kurebayashi H. et al.: Controlled enhancement of spin-current emission by three-magnon splitting. Nature Materials (published online 03 July 2011); DOI: 10.1038/nmat3053

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Dr. Christina Heimken idw

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