Schaltmechanismus kontrolliert Schmerzempfinden

Wenn ein TRPM3-Kanal (links) und ein Gβγ-Protein (rechts) aneinander koppeln, führt dies zur Linderung von Schmerzen.
Abbildung: Johannes Oberwinkler

Schmerz einfach ausknipsen wie mit einem Lichtschalter – mit diesem Vergleich beschreibt eine internationale Forschungsgruppe die Wechselwirkung von Proteinen, die an der Schmerzempfindung beteiligt sind. Das Team um den Marburger Schmerzforscher Professor Dr. Johannes Oberwinkler berichtet in der Wissenschaftszeitschrift „PNAS“ über seine Ergebnisse.

Schmerzempfindliche Nervenzellen nehmen Reize auf, die auf Gefahren für den Körper hinweisen, etwa Hitze oder schädliche Substanzen. „Ionenkanäle vom TRPM3-Typ spielen eine wichtige Rolle für die Signaldetektion“, erklärt Johannes Oberwinkler vom Marburger Institut für Physiologie und Pathophysiologie, der die Forschungsarbeit leitete.

Stillt man Schmerzen durch Opium und opium-ähnliche Substanzen, so geschieht dies mittels so genannter Gβγ-Proteine – sie blockieren unter anderem die TRPM3-Kanäle der beteiligten Nervenzellen. „Wir haben im Detail untersucht, wie Gβγ-Proteine die TRPM3-Kanäle hemmen“, sagt Oberwinkler.

Das Team führte molekulargenetische Experimente durch und charakterisierte die beteiligten Moleküle mittels Röntgenkristallographie, um aufzuklären, wie die Hemmung der Ionenkanäle vor sich geht. Das Kanalprotein enthält demnach einen Abschnitt von zehn Aminosäuren, der als Koppelungsstelle für Gβγ-Proteine dient; koppelt Gβγ an diesen Abschnitt, so dämpft dies die Aktivität des Ionenkanals, was die Schmerzempfindung lindert.

In der Zelle kann das Kanalprotein indes in unterschiedlichen Versionen vorliegen, mit oder ohne den fraglichen Abschnitt – das kommt ganz darauf an, an welchen Stellen das Kanalprotein geschnitten und wieder zusammengefügt wird. Die Fachleute sprechen hier vom „alternativen Spleißen“. „Je nachdem, ob der fragliche Abschnitt in das Kanalprotein eingeschlossen wird oder nicht, lässt sich die hemmende Wirkung des Gβγ-Proteins an- und ausschalten“, führt Oberwinkler aus.

Ließe sich die Wechselwirkung zwischen Gβγ und TRPM3-Kanälen künftig gezielt beeinflussen, indem man geeignete Medikamente entwickelt, so könnte dies die Behandlung von Schmerzen verbessern. „Ob das überhaupt geht, müssten aber langwierige und aufwändige Forschungsarbeiten erst noch erweisen“, betont der Hochschullehrer.

Professor Dr. Johannes Oberwinkler leitet die Arbeitsgruppe Molekulare Physiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität. Er gehört außerdem dem mittelhessischen Forschungszentrum CMBB an. Neben Oberwinkler und seinem Team sind weitere Forscherinnen und Forscher aus Belgien und den USA an der Veröffentlichung beteiligt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und zahlreiche weitere Förderorganisationen unterstützten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finanziell.

Originalveröffentlichung: Marc Behrendt, Fabian Gruss & al.:
The structural basis for an on–off switch controlling Gβγ-mediated inhibition of TRPM3 channels, PNAS 2020, DOI: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.2001177117

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Johannes Oberwinkler,
Arbeitsgruppe Molekulare Physiologie
Tel.: 06421 28-65427
E-Mail: johannes.oberwinkler@uni-marburg.de

Pressemitteilung von 2017 zur Schmerzforschung der Arbeitsgruppe: https://idw-online.de/de/news680391

Media Contact

Johannes Scholten Stabsstelle Hochschulkommunikation
Philipps-Universität Marburg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wolken bedecken die Nachtseite des heißen Exoplaneten WASP-43b

Ein Forschungsteam, darunter Forschende des MPIA, hat mit Hilfe des Weltraumteleskops James Webb eine Temperaturkarte des heißen Gasriesen-Exoplaneten WASP-43b erstellt. Der nahe gelegene Mutterstern beleuchtet ständig eine Hälfte des Planeten…

Neuer Regulator des Essverhaltens identifiziert

Möglicher Ansatz zur Behandlung von Übergewicht… Die rapide ansteigende Zahl von Personen mit Übergewicht oder Adipositas stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem sich verändernden Lebensstil der Menschen…

Maschinelles Lernen optimiert Experimente mit dem Hochleistungslaser

Ein Team von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL), des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und der Extreme Light Infrastructure (ELI) hat gemeinsam ein Experiment zur Optimierung…

Partner & Förderer