Was hindert Stammzellen am Erwachsenwerden?

Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Helmholtz Zentrums München haben jetzt gemeinsam einen Mechanismus entschlüsselt, der eine entscheidende Rolle bei der Reifung von Stammzellen einnimmt. Über die Wechselwirkung zwischen dem bisher wenig erforschten Stammzellgen Lin-41 und der MicroRNA namens let-7 berichtet das Forscherteam um Dr. F. Gregory Wulczyn, Institut für Zell- und Neurobiologie, im Fachjournal Nature Cell Biology*.

Aus Stammzellen entwickeln sich spezialisierte Körperzellen, wie zum Beispiel Neuronen oder Herzmuskelzellen. Wie dieser Reifungsprozess genau funktioniert, ist im Detail noch nicht geklärt. Aber die gezielte Einsetzung von Stammzellen zur Reparatur von erkranktem Gewebe ist ein Hauptziel der regenerativen Medizin.

Den beiden Forschergruppen ist es jetzt am Mausmodell gelungen, die molekulare Funktion des Stammzellgens Lin-41 aufzuklären. Wie alle Zellen besitzen Stammzellen die Fähigkeit, zelluläre Proteine abzubauen. Lin-41 lenkt die Abbauenzyme auf ein zelluläres Protein, Ago2, und leitet dadurch seine Zerstörung ein. Bei der Stammzellreifung wird Ago2 benötigt, um die Aktivität von let-7 und anderen MicroRNAs zu gewährleisten. Da MicroRNAs für die Umwandlung von Stammzellen zu spezialisierten Zellen mitverantwortlich sind, bremst die Zerstörung von Ago2 durch Lin-41 die Zellumwandlung. Um die Stammzellreifung in Gang zu setzen, spielt die MicroRNA let-7 eine entscheidende Rolle. Let-7 besitzt die Fähigkeit das Gen Lin-41 zu hemmen, das zelluläre Protein Ago2 ist dann vor dem Abbau geschützt. „Somit können Stammzellen zwei unterschiedliche Zustände aufweisen. Junge, unreife Stammzellen haben viel Lin-41, wenig Ago2 und inaktivierte MicroRNAs. Heranreifende Stammzellen haben wenig Lin-41, viel Ago2 und aktivierte MicroRNAs“, erklärt Dr. Wulczyn.

„Wir zeigen eine neue Art des Zusammenspiels zwischen MicroRNAs und Proteinabbau in Stammzellen. Dadurch kann die Aktivität vieler zellulärer Proteine gezielt koordiniert werden“, sagt Dr. Daniel Krappmann, Leiter der Münchener Arbeitsgruppe. Die neuen Erkenntnisse könnten auch medizinisch relevant sein, weil Störungen in diesem Gen-Netzwerk sowohl Entwicklungsstörungen als auch Krebsentstehung begünstigen könnten. „Es ist bekannt, dass der Verlust von let-7 in verschiedenen Geweben die Krebsentstehung fördern kann. Unsere Daten deuten auf eine Mitbeteiligung von Lin-41 hin“, fügt Dr. Wulczyn hinzu.

*Agnieszka Rybak, Heiko Fuchs, Kamyar Hadian, Lena Smirnova, Ellery A. Wulczyn, Geert Michel, Robert Nitsch, Daniel Krappmann & F. Gregory Wulczyn: The let 7 target gene mouse lin 41 is a stem cell specific E3 ubiquitin ligase for the miRNA pathway protein Ago2. In: Nature Cell Biology. doi:10.1038/ncb1987

Kontakt
Dr. F. Gregory Wulczyn
Institut für Zell- und Neurobiologie
Charité Campus Mitte
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 528 459

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Kerstin Endele idw

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