Auktionen der Zukunft: Mit Handy statt Handzeichen

Forschungsprojekt „Morabit“ arbeitet an neuen Strategien zur Qualitätssicherung mobiler Softwaresysteme


Immer mehr Deutsche nutzen PC und Internet zum bequemen Einkauf: Allein in Baden-Württemberg waren es im letzten Jahr innerhalb eines Quartals 2,7 Millionen Menschen. Sie können darauf vertrauen, dass sie genau die Ware erhalten, die sie bestellt haben. Dafür sorgen unter anderem spezielle Softwarekomponenten. Der Nutzer merkt davon nichts. Schwieriger wird es in verteilten Systemen mit vielen mobilen Endgeräten. Die Komponenten stammen aus verschiedenen Quellen, sind nicht aufeinander abgestimmt, und müssen sich untereinander „verstehen“ und gegenseitig „vertrauen“ – eine große Herausforderung für Softwareentwickler.

Bisher gibt es kaum geeignete Methoden und Werkzeuge, um die Qualität mobiler Anwendungen und ihre Verlässlichkeit zu testen. Das neue Forschungssprojekt „MORABIT“ (Mobile Resource Adaptive Built-in Test) will hier Abhilfe schaffen. Informatiker des Heidelberger Forschungsinstituts EML Research, der Universität Heidelberg und der Universität Mannheim wollen eine Methode entwickeln und dazu eine Testumgebung aufbauen, die die Tests den jeweiligen Bedingungen mobiler Systeme anpasst. „MORABIT“ wird mit rund 400.000 Euro für zwei Jahre von der Landesstiftung Baden-Württemberg gefördert. Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Barbara Paech vom Institut für Informatik der Universität Heidelberg.

Das Szenario der Forscher: eine Auktion, auf der jeder anwesende Bieter mit seinem netzfähigen Handy statt mit Handzeichen steigert. Die Probleme dabei sind vielfältig: Neue Teilnehmer kommen mitten in der Versteigerung hinzu, die dazu gehörigen Softwarekomponenten müssen identifiziert und auf ihre Verlässlichkeit getestet werden. Ein wichtiges Merkmal mobiler Systeme: Die Übertragungsraten von Funknetzen sind niedriger als beim kabelbasierten Zugang zuhause, und die Leistungsfähigkeit der Endgeräte ist begrenzt. Die Verlässlichkeit muss also getestet werden, ohne dass der Datenstrom vom Handy des Bieters zum Veranstalter-PC unterbrochen wird. Wer bietet, will sicher sein, dass der richtige Bietbetrag beim Veranstalter eingeht. Und er möchte vielleicht zwischendurch bei der Bank ungestört seinen aktuellen Kontostand abfragen.

Jede Softwarekomponente hat ihre eigenen Qualitätsstandards, unter denen sie arbeitet. Aber jede Komponente lässt sich grundsätzlich testen. Bei Desktop-Rechnern oder Server-Systemen in Unternehmen kann der „Built-in-Test“-Grundsatz (BIT) verwendet werden. Die MORABIT-Forscher greifen diesen auf und weiten ihn auf mobile Systeme aus: Die Softwarekomponenten sollen von ihrer Umgebung zu jeder Zeit getestet werden können. Besonders wichtig ist den Wissenschaftlern dabei der Aspekt der „resource-awareness“, das heißt, dass die Tests die eingeschränkten Bedingungen mobiler Endgeräte und Umgebungen berücksichtigen. Das Ziel des Projekts ist eine neue Konzeption für eine Testumgebung, die dann an verschiedenen Middleware-Technologien überprüft werden soll: zum Beispiel an der Agententechnologie RAJA, einer Entwicklung des European Media Laboratory (EML), und an einer Komponententechnologie wie Enterprise Java Beans (EJB).

Für das Szenario der Auktion ergäben sich mehrere Vorteile: Es ließe sich exakt dokumentieren, wer wann wie hoch gesteigert hat. Der Auktionator müsste nicht auf Handzeichen oder eventuell dubiose Signale achten. Es wären auch parallel stattfindende Auktionen vorstellbar, wie sie zum Beispiel auf Lebensmittelmärkten stattfinden. Denn hier muss, anders als bei online-Auktionen, der Bieter in jedem Fall die Ware sehen und direkt prüfen können. Wenn in einigen Jahren auf dem traditionellen Fischmarkt in Hamburg-Altona die Einkäufer der Restaurants ihre Meeresfrüchte mit dem Handy statt mit Handzeichen ordern, dann sind sie vielleicht mit Hilfe von MORABIT ins Netz gegangen – und können sicher sein, dass nicht nur der Fisch frisch, sondern auch die mobile Transaktion verlässlich war.

Projektpartner:

Der Lehrstuhl Software Systeme an der Universität Heidelberg wird von Prof. Dr. Barbara Paech geleitet. Er setzt die Arbeiten der Competence Center Quality Software Development (QSD) und Requirements and Usability Engineering (RUE) des Fraunhofer Institut für experimentelles Software Engineering (Fh IESE) zum Thema Softwarequalität fort. Dies umfasst sowohl nationale und internationale Forschungsprojekte also auch intensive Zusammenarbeit mit der Industrie in Forschungs- und Transferprojekten Ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeiten ist Requirements, Usability und Qualitäts-Engineering, insbesondere für Komponenten-basierte Software-Entwicklung.

Der Lehrstuhl für Softwaretechnik an der Universität Mannheim wird von Professor Dr. Colin Atkinson, geleitet. Das Hauptaugenmerk liegt sowohl auf der Verbesserung und Integration von fortgeschrittenen Softwareentwicklungsmethoden wie zum Beispiel Model-Driven Development, Service-Orientierte Entwicklung und Komponenten-Basierte Entwicklung als auch auf Product-Line Engineering. Diese Techniken können auf vielfältige Gebiete angewandt werden, die von E-Commerce und Mobile Business bis hin zu Echtzeit-Systemen reichen.

Die EML Research gGmbH ist ein gemeinnütziges Forschungsinstitut für Grundlagenforschung in der angewandten Informatik. Die Forscher arbeiten eng mit Universitäten zusammen. Die EML Research gGmbH wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH (KTS) gefördert. Forschungsprojekte des Instituts werden auch durch die Europäische Union, die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Landesstiftung Baden-Württemberg unterstützt.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Dr. Peter Saueressig
EML Research gGmbH, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel: +49-6221-533-245
Fax: +49-6221-533-198
peter.saueressig@eml-research.de

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Barbara Paech
Lehrstuhl Software Systeme, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Tel. +49-6221 / 54 – 5810
Fax: +49-6221 / 54 – 5813
paech@informatik.uni-heidelberg.de

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