Silbrige Zwerge auf Quecksilberfang

Wer bei Amalgam nur an Zahnfüllungen denkt, dem entgeht etwas: Amalgame, Legierungen des Quecksilbers mit anderen Metallen, werden bereits seit mehr als 2500 Jahren in der Schmuckherstellung und im Bergbau zur Extraktion von Metallen wie Silber und Gold genutzt. Heute ist der gegenteilige Prozess interessanter: Das Entfernen von Quecksilber aus Abwässern durch Amalgamierung mit Edelmetallen – in Form von Nanopartikeln.

Kseniia Katok und Kollegen stellen in der Zeitschrift Angewandte Chemie jetzt neue Erkenntnisse vor: Werden die Durchmesser von Silbernanopartikeln noch weiter verringert, lässt sich wesentlich mehr Quecksilber pro eingesetztem Silber extrahieren.

Im konventionellen Fall reagieren bei der Quecksilberentfernung zwei Silberatome mit jeweils einem zweifach positiv geladenen Quecksilberion aus dem Abwasser zu zwei Silberionen, die nun ihrerseits in Lösung gehen, und einem neutralen Quecksilberatom, das vom metallischen Silberpartikel aufgenommen wird. Das stöchiometrische Verhältnis von Quecksilber zu Silber beträgt also 1:2.

Die Forscher von der Universität Brighton (Großbritannien) sowie Kollegen aus Kasachstan, Frankreich und Japan haben nun festgestellt, dass sich die Stöchiometrie der Reaktion ändert, wenn die Silbernanopartikel einen kritischen Durchmesser von 32 nm unterschreiten. Der Effekt, „Hyperstöchiometrie“ genannt, ist von der Größe der Nanopartikel abhängig. Bei Partikeln mit Durchmessern um 10 nm wird ein Verhältnis von 1,1:1 bis 1,7:1 erreicht – je nachdem, mit welchem Gegenion die Quecksilberionen auftreten. Die Reaktion läuft dabei offenbar anders als bei „normal“ großen Silberpartikeln: Die Forscher vermuten, dass die zunächst entstehenden Silberionen an die Silbernanopartikel adsorbieren und dort, unter dem katalytischen Einfluss der winzigen Silbernanopartikel, von negativ geladenen Gegenionen der Quecksilbersalze (z. B. Nitrat oder Acetat), wieder zu elementarem Silber „recycelt“ werden. Es ist ein häufig beobachtetes Phänomen, dass sehr kleine Nanopartikel stärkere katalytische Aktivität zeigen als größere, da bei ihnen Oberflächeneigenschaften über die Feststoffeigenschaften dominieren. Der hyperstöchiometrische Effekt verspricht neue Ansätze für die Reinigung von Abwässern sowie die Katalyse.

Zur Herstellung der benötigten extrem kleinen Silbernanopartikel statten die Wissenschaftler eine Siliciumdioxid-Oberfläche mit einzelnen Siliciumwasserstoffgruppen (–SiH) aus. Diese vermögen Silberionen zu neutralen Silberatome zu reduzieren, die an die Oberfläche gebunden werden und vermutlich als „Kristallisationskeime“ für das weitere Aufwachsen von Silber dienen. So entstehen fixierte Nanopartikel, die nicht aggregieren können. Anhand der Dichte der SiH-Gruppen und der Reaktionszeit lässt sich die Größe der Partikel kontrollieren. Anders als bei herkömmlichen Verfahren werden keine Stabilisatoren benötigt, die an den Silbernanopartikel haften bleiben und deren physikochemische Eigenschaften verändern.

Angewandte Chemie: Presseinfo 06/2012

Autor: Kseniia Katok, University of Brighton (UK), http://www.brighton.ac.uk/set/contact/details.php?uid=kk95

Angewandte Chemie, Permalink to the article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201106776

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany

Media Contact

Dr. Renate Hoer GDCh

Weitere Informationen:

http://presse.angewandte.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer