Eis XVI: Göttinger Wissenschaftler stellen neue kristalline Form von Wasser her

Ausschnitt aus der Kristallstruktur von Eis XVI. Foto: Universität Göttingen

Wissenschaftler der Universität Göttingen und des Instituts Laue-Langevin in Grenoble haben ein neues Wassereis hergestellt. Die siebzehnte kristalline Form von Wasser mit dem Namen „Eis XVI“ ist die bislang am wenigsten dichte Form von Wasser: Sie kristallisiert in einer Anordnung, die bisher nur in einer mit Gas gefüllten Form bekannt war.

Damit wird zum ersten Mal der Einfluss der Wechselwirkungen zwischen Wasser- und Gasmolekülen im Experiment unmittelbar quantifizierbar. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature erschienen.

Die Forscher stellten das Eis XVI her, indem sie die Ne-Clathrat – eine Verbindung von Neon und Wasser – auspumpten. Die resultierende Kristallstruktur lässt sich somit als „leeres Clathrat“ beschreiben. Nach dem Auspumpen der Gasmoleküle dehnt sich das Kristallgitter aus, da die anziehenden Wechselwirkungen von Gas und Wasser wegfallen.

„Diese Expansion ist größer als erwartet“, erklärt Prof. Dr. Werner Kuhs, Leiter der Abteilung Kristallographie der Universität Göttingen. „Bisherige vereinfachte Annahmen beim Berechnen der physiko-chemischen Eigenschaften von Clathraten müssen deshalb nun revidiert werden.“

Clathrate, auch Gashydrate genannt, spielen eine bedeutende Rolle im Kohlenstoffkreislauf der Erde. Methan-Clathrat ist in Permafrost- und Meeresböden in riesigen Mengen vorhanden, die die bekannten Vorräte an Erdgas und Erdöl bei weitem übertreffen.

Clathrate spielen auch eine große Rolle beim Transport von Gas und Öl in Pipelines: Als feste Produkte können sie unter den dort herrschenden Druck- und Temperaturbedingungen Pfropfen bilden, deren Verhinderung die Industrie jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro kostet. Eine genaue Vorhersage solcher Blockaden ist für den Betrieb einer Pipeline unerlässlich.

„Die Quantifizierung der Gas-Wasser-Wechselwirkung über das Eis XVI erlaubt in Zukunft verbesserte Vorhersagen über die Stabilität und Zusammensetzung von Clathraten“, so Prof. Kuhs. „Das ist von großer Bedeutung sowohl für Geowissenschaftler als auch für Chemie-Ingenieure.“

Darüber hinaus spielt die Quantifizierung der Wechselwirkungen von hydrophoben Molekülen wie Methan mit Wasser eine große Rolle in vielen biochemischen Prozessen.

Originalveröffentlichung: Andrzej Falenty et al. Formation and properties of ice XVI obtained by emptying a type sII clathrate hydrate. Nature 2014. Doi: 10.1038/nature14014.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Werner Kuhs
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Geowissenschaften und Geographie
Geowissenschaftliches Zentrum
Abteilung Kristallographie
Goldschmidtstraße 1, 37077 Göttingen,
Telefon (0551) 39-33891
E-Mail: wkuhs1@gwdg.de

Weitere Informationen:

http://kristall.uni-mki.gwdg.de/

Media Contact

Thomas Richter idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer