Den Phantomschmerz mit Training reduzieren

Nach Verlust von Gliedmaßen ändert sich in der Regel das Volumen von Hirnstrukturen, die zuvor für die Empfindung und Bewegung des amputierten Körperteils zuständig waren. Ein Team des Lehrstuhls für Biologische und Klinische Psychologie (Leiter: Prof. Dr. Wolfgang H. R. Miltner) der Universität Jena konnten das mit Hilfe moderner Hirnuntersuchungen nachweisen.

Für diese Arbeit erhalten Dr. Sandra Preißler und Dipl.-Psych. Johanna Feiler stellvertretend für das Team den Förderpreis für Schmerzforschung 2012 in der Kategorie Klinische Forschung. Verliehen wird die mit 3.500 Euro dotierte Auszeichnung am heutigen Donnerstag (18. Oktober) beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim.

Das Forscherteam wies nach, dass im Gehirn das Volumen der für die Körperempfindung und Bewegung zuständigen Hirnstrukturen eines amputierten Armes abnimmt, während gleichzeitig Areale in ihrem Volumen zunehmen, die notwendig sind, damit ein Prothesenträger Greifbewegungen mit einer durch elektrische Motoren steuerbaren Prothesenhand erfolgreich ausführen kann. Die Zunahme des Volumens spiegelt diese erhöhte visuelle Kontrolle und Aufmerksamkeit beim Greifen mit der Prothesenhand wider.
Bei gesunden Menschen laufen solche Greifbewegungen hingegen meist automatisiert und ohne erhöhten Kontroll- und Aufmerksamkeitsaufwand ab. Die visuellen Kontrollareale im Gehirn bei den Prothesenträgern wachsen offensichtlich mit der stärkeren Beanspruchung. Ein gleichartiges Phänomen lässt sich z. B. auch im Gehirn von Musikern für Kontrollareale von Fingern beobachten, mit denen Seiten einer Geige oder Gitarre gezupft werden.

Für die Schmerzforschung sind diese Erkenntnisse interessant, weil Patienten mit starken Phantomschmerzen eine geringere Volumenzunahme verzeichnen. Prof. Dr. Thomas Weiß, der diese Arbeitsgruppe betreut, sieht bei den Prothesenträgern ähnliche Vorgänge wie bei den Musikern: „Wer seine Prothese häufig benutzt, trainiert zugleich seine visuellen Kontrollareale im Gehirn.“

Die Freude über den Förderpreis für Schmerzforschung ist groß und eine neue Bestätigung der Jenaer Forschungsarbeiten, denn das Team um Prof. Weiß erhält den Preis dieses Jahr nach 2009 und 2010 bereits zum dritten Mal.

Derzeit untersucht die Arbeitsgruppe Phantomschmerzen bei Personen mit Unterschenkelamputation und bei Patienten mit chronischem Rückenschmerz. Betroffene aber auch gesunde Kontrollpersonen im Alter zwischen 30 und 65 Jahren können dabei helfen, die Arbeitsgruppe in ihren Bemühungen zu unterstützen. Freiwillige melden sich telefonisch unter 03641 / 945143 oder 945151 oder per E-Mail an: thomas.weiss[at]uni-jena.de oder s.preissler[at]uni-jena.de.

In diesem Jahr ist die Freude in Jena besonders groß, denn es gelang sogar ein Doppelschlag: Eine Forschergruppe vom Universitätsklinikum ist parallel mit dem Förderpreis für Schmerzforschung im Bereich Grundlagenforschung ausgezeichnet worden. Befasst haben sich Michael K. Boettger, Johannes Leuchtweis, Hans-Georg Schaible und Manuela Schmidt mit entzündlichen Gelenkerkrankungen. Dabei kombinierten sie Methoden aus der Schmerz- mit solchen aus der Bewegungsforschung.

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Weiß / Dr. Sandra Preißler
Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Am Steiger 3 / Haus 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945143, 945151
E-Mail: thomas.weiss[at]uni-jena.de / s.preissler[at]uni-jena.de

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Stephan Laudien idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de/

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