DFG fördert 15 neue Sonderforschungsbereiche 11/2017
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 15 neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss auf seiner Herbstsitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 133 Millionen Euro gefördert.
Hinzu kommt eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Forschungsprojekten. Sieben der 15 eingerichteten Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere antragstellende Forschungsstandorte verteilen. Alle neuen Sonderforschungsbereiche werden ab dem 1. Januar 2018 zunächst vier Jahre lang gefördert.
Zusätzlich zu den 15 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 21 SFB für jeweils eine weitere Förderperiode (siehe Link am Ende dieser Pressemitteilung). Ab Januar 2018 fördert die DFG damit insgesamt 269 Sonderforschungsbereiche.
Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen (in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen und unter Nennung der antragstellenden Hochschulen):
Der Spin des Elektrons ist eine zentrale Quanteneigenschaft, die einen großen Einfluss auf Struktur und Dynamik von Materie hat. Zudem verfügen Spins aufgrund ihrer schnellen Reaktion über ein großes Anwendungspotenzial, beispielsweise für zukünftige magnetische Bauelemente. Ziel des Sonderforschungsbereichs/Transregio „Ultraschnelle Spindynamik“ ist es, ein umfassendes Verständnis der grundlegenden Prinzipien ultraschneller Spindynamik zu entwickeln und somit die Grundlagen für eine deutlich schnellere spinbasierte Informationstechnologie zu schaffen.
(Sprecherhochschule: Freie Universität Berlin, Sprecher: Prof. Dr. Martin Weinelt; weitere antragstellende Hochschule: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
Der Wandel unserer Welt durch zunehmend transnationale Formen des Wirtschaftens, durch die Entwicklung und Verbreitung digitaler Kommunikationstechnologien und mit geopolitischen Umbrüchen wird gemeinhin als „Globalisierung“ bezeichnet. Der aus sechs ingenieur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen zusammengesetzte Sonderforschungsbereich hingegen basiert auf der Annahme, dass die konfliktreichen Wandlungsprozesse besonders deutlich zu erkennen sind, wenn man sie als „Re-Figuration von Räumen“ erfasst. Um die Merkmale der Re-Figuration in den empirischen Untersuchungen zu bestimmen, untersuchen die Forscherinnen und Forscher sowohl die Ebene des subjektiven Raumerlebens und -wissens als auch die des räumlichen Zusammenhangs von Zirkulation und Ordnung. Schließlich beleuchten sie auch die Ebene der kommunikativen Handlungen, Interaktionen und Praktiken, die die ersten beiden Ebenen verbindet.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Berlin, Sprecherin: Prof. Dr. Martina Löw)
„Eine neue Synthese zur Individualisation für die Verhaltensforschung, Ökologie und Evolution: Nischenwahl, Nischenkonformität, Nischenkonstruktion (NC3)“ will ein in Bielefeld, Münster und Jena angesiedelter Sonderforschungsbereich/Transregio schaffen. Die Feststellung, dass Individuen sich unterscheiden, hat dazu geführt, dass experimentelle Ansätze in der Verhaltensbiologie, Ökologie und Evolutionsbiologie ihren Fokus stärker auf das Individuum richten und nicht mehr auf Mittelwerte einer Population oder einer Art. Ein integrativer Ansatz, der die neuen Erkenntnisse aus den verschiedenen Disziplinen verbindet und in einen übergreifenden konzeptionellen Zusammenhang stellt, fehlt jedoch. Der SFB/TRR will deshalb zu einem besseren Verständnis der Interaktion von individuellen Phänotypen mit der Umwelt beitragen und die ökologischen und evolutionären Konsequenzen dieser Interaktion aufzeigen.
(Sprecherhochschule: Universität Bielefeld, Sprecher: Prof. Dr. Oliver Krüger, Ph.D.; weitere antragstellende Hochschule: Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Das Atmosphärendruckplasma ist ein Sonderfall eines Plasmas, bei dem der Druck ungefähr dem der umgebenden Atmosphäre, dem sogenannten Normaldruck, entspricht. Der Sonderforschungsbereich „Transiente Atmosphärendruckplasmen – vom Plasma zu Flüssigkeiten zu Festkörpern“ befasst sich mit Atmosphärendruckplasmen im Nichtgleichgewicht, da diese sich gut mit Festkörpern und Flüssigkeiten koppeln lassen. Dabei fokussiert sich der SFB auf transiente Plasmen mit extremen räumlichen und zeitlichen Skalen zum Einsatz in der Katalyse, zur Nanostrukturierung von Festkörpern sowie zur Wechselwirkung mit Flüssigkeiten für die Biokatalyse. Beteiligt sind Forscherinnen und Forscher aus der Plasmaphysik, der Oberflächenphysik und -chemie sowie der Elektrotechnik und der Biologie.
(Sprecherhochschule: Ruhr-Universität Bochum, Sprecher: Prof. Dr. Achim von Keudell)
Wie wirken sich beim sozial-ökologischen Wandel im ländlichen Afrika die scheinbar gegenläufigen, vielfach jedoch verwobenen Prozesse von verstärkter Landnutzung durch den Menschen und Ausweitung von Naturschutzgebieten aus? Diese Frage steht im Fokus der Arbeit des Sonderforschungsbereichs/Transregio „Zukunft im ländlichen Afrika: Zukunft-Machen und sozial-ökologische Transformation“. Die Forscherinnen und Forscher aus der Geografie, Ethnologie, den Agrarwissenschaften sowie weiterer Disziplinen analysieren, wie sich unterschiedliche Vorstellungen von Zukunft auf den Landnutzungswandel auswirken. Besonderes Augenmerk richten sie dabei auch auf nicht vorhersehbare Entwicklungen, wie Missernten, die für das ländliche Afrika charakteristisch sind. Im Fokus stehen Gebiete im östlichen und südlichen Afrika.
(Sprecherhochschule: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Sprecher: Prof. Dr. Detlef Müller-Mahn; weitere antragstellende Hochschule: Universität zu Köln)
Der Sonderforschungsbereich/Transregio „Ökonomische Perspektiven auf gesellschaftliche Herausforderungen: Chancengleichheit, Marktregulierung und Finanzmarktstabilität“ widmet sich drei zentralen gesellschaftlichen Fragen: Wie kann Chancengleichheit gefördert, wie können Märkte in Anbetracht der Internationalisierung und Digitalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten reguliert und wie kann ein stabiles Finanzsystem gestaltet werden? Die Forscherinnen und Forscher analysieren zur Beantwortung dieser Fragen die wirtschaftlichen Auswirkungen spezifischer Maßnahmen der Familien- und Bildungspolitik, Produktmarktregulierung und Finanzmarktregulierung und entwickeln neue institutionelle Lösungen und Politikmaßnahmen.
(Sprecherhochschule: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Sprecher: Prof. Dr. Sven Rady; weitere antragstellende Hochschule: Universität Mannheim)
Sozialpolitik zielt auf die Sicherung sozialer Rechte und das Schaffen sozialer Sicherheit. Mit den „Globale(n) Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik“ befasst sich ein politikwissenschaftlicher Sonderforschungsbereich. Er will Lücken in der bisherigen Sozialpolitikforschung schließen: Um mit dem bisherigen OECD-Zentrismus zu brechen, bezieht der SFB die Länder des globalen Südens systematisch in die Untersuchung ein. Er stützt sich ferner auf ein breiteres Verständnis von Sozialpolitik, indem er unter anderem Bildungspolitik in die Analyse integriert. Die herkömmliche nationalstaatliche Binnensicht der Sozialpolitikforschung öffnet der SFB, indem er das Zusammenwirken grenzüberschreitender Verflechtungen – wie Handelsbeziehungen, Migrationsströme und internationale Organisationen – und nationaler Rahmenbedingungen erforscht. Ziel ist es, die sozialpolitischen Entwicklungsprozesse in globaler und historischer Perspektive zu erklären.
(Sprecherhochschule: Universität Bremen, Sprecher: Prof. Dr. Herbert Obinger)
Ein Objekt ist chiral, wenn es unmöglich ist, es durch Drehen und Verschieben mit seinem Spiegelbild deckungsgleich übereinanderzulegen. Dies trifft zum Beispiel auf die Hand zu. Ziel des Sonderforschungsbereichs „Extremes Licht zur Analyse und Kontrolle molekularer Chiralität (ELCH)“ ist es, die Chiralität einzelner Moleküle und die Reaktion chiraler Moleküle auf elektromagnetische Felder zu verstehen. Dieses Wissen ist grundlegend für die Kontrolle der Chiralität auf Einzelmolekülebene. Im SFB sollen zudem fortgeschrittene, auf Licht basierte Methoden entwickelt werden, mit denen chirale Moleküle analysiert, getrennt, abgekühlt, eingefangen, gesteuert und kontrolliert werden können.
(Sprecherhochschule: Universität Kassel, Sprecher: Prof. Dr. Thomas Baumert)
Die Evolutionsbiologie befasst sich traditionell mit der Rekonstruktion vergangener Prozesse und mit Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Spezies über lange Zeiträume. Aber können wir auch Wege und Ergebnisse zukünftiger Evolutionsprozesse, zumindest über kurze Zeiten, vorhersagen? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Arbeit des Sonderforschungsbereichs „Vorhersagbarkeit in der Evolution“. Der SFB wird sich schnell entwickelnde Systeme untersuchen, darunter Mikroben im Labor, Viren, Immunsysteme und Krebszellen. Er will Vorhersagemethoden für wichtige Prozesse in diesen Systemen entwickeln, darunter die Evolution von Arzneimittelresistenzen, die Evolution von Antikörpern in Immunsystemen und die Ko-Evolution von Krankheitserregern und ihren Wirtsorganismen.
(Sprecherhochschule: Universität zu Köln, Sprecher: Prof. Dr. Michael Lässig)
Welche molekularen Schaltstellen für das Versagen des Immunsystems bei der Abwehr von Tumoren und dauerhaften Infektionen verantwortlich sind, untersucht der Sonderforschungsbereich „Gezielte Beeinflussung von konvergierenden Mechanismen ineffizienter Immunität bei Tumorerkrankungen und chronischen Infektionen“. Längerfristig wollen die Forscherinnen und Forscher mit ihren Erkenntnissen zur Entwicklung personalisierter therapeutischer Strategien mit geringeren Nebenwirkungen beitragen.
(Sprecherhochschule: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Sprecher: Prof. Dr. Hansjörg Schild)
Den Austausch von Informationen und Signalen zwischen Zellen übernehmen sogenannte zelluläre Kontaktstellen. Diese dynamischen Zell-Zell-Kontakte sind grundlegend, um die vielfältigen Prozesse in und zwischen den Zellen zu koordinieren und zu regulieren, sie erlauben beispielsweise angemessene Reaktionen bei Wundheilung und Entzündung. Der Sonderforschungsbereich „Dynamische zelluläre Grenzflächen: Bildung und Funktion“ will die Mechanismen erforschen, die die Gliederung der Membran und die funktionale Zuweisung zellulärer Kontaktstellen antreiben. Zudem will er die Eigenschaften von zellulären Grenzflächen bei der Zelldifferenzierung und der Organfunktion bestimmen. Letztlich wollen die Forscherinnen und Forscher des SFB besser verstehen, wie spezifische Eigenschaften von zellulären Kontaktstellen verwendet werden können, um komplexe Gewebestrukturen zu bilden und zu regulieren.
(Sprecherhochschule: Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Sprecher: Prof. Dr. Christian Klämbt)
Die Transplantation von Blutstammzellen ist eine Behandlungsmöglichkeit bei bestimmten Formen des Blut- und Lymphdrüsenkrebses. Bei vielen Patienten kommt es nach einer Transplantation allerdings zu einer immunologischen Reaktion der transplantierten Zellen gegen das gesunde Körpergewebe. Hierdurch werden häufig die Haut, Leber und der Darm geschädigt. Der Sonderforschungsbereich/Transregio „Steuerung der Transplantat-gegen-Wirt- und Transplantat-gegen-Leukämie-Immunreaktionen nach allogener Stammzelltransplantation“ untersucht deshalb die immunologischen Mechanismen der Blutstammzell-Transplantation. Langfristiges Ziel ist es, die Therapie verträglicher zu machen und unerwünschte Immunreaktionen zu unterdrücken.
(Sprecherhochschule: Universität Regensburg, Sprecher: Prof. Dr. Wolfgang Herr; weitere antragstellende Hochschulen: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Julius-Maximilians-Universität Würzburg)
Als chronische Niereninsuffizienz bezeichnet man das Endstadium einer chronischen Nierenerkrankung. Rund die Hälfte der Menschen mit einer chronischen Niereninsuffizienz leiden an kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, 40 bis 50 Prozent sterben daran. Der Sonderforschungsbereich/Transregio „Mechanismen kardiovaskulärer Komplikationen der chronischen Niereninsuffizienz“ geht mithilfe experimenteller und klinischer Studien der Frage nach, was genau die Gründe für die erhöhte Anfälligkeit der betroffenen Patienten für kardiovaskuläre Erkrankungen und die höhere Sterberate sind.
(Sprecherhochschule: Universität des Saarlandes, Sprecher: Prof. Dr. Danilo Fliser; weitere antragstellende Hochschule: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen)
Der Sonderforschungsbereich „Grenzflächenbeeinflusste Mehrfeldprozesse in porösen Medien – Strömung, Transport und Deformation“ hat sich zum Ziel gesetzt, ein grundlegendes Verständnis darüber zu entwickeln, wie Grenzflächen Strömung, Transport und Deformation in porösen Materialien beeinflussen. Dafür soll quantifiziert werden, wie Porengeometrie, Heterogenität und Risse des porösen Materials die Dynamik von Fluid-Fluid- und Fluid-Feststoff-Grenzflächen beeinflussen. Zudem werden mathematische und numerische Modelle entwickelt, die Auswirkungen von Prozessen auf sehr kleinen zeitlichen und räumlichen Skalen einbeziehen.
(Sprecherhochschule: Universität Stuttgart, Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Rainer Helmig)
Der Sonderforschungsbereich/Transregio „Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen“ befasst sich mit einem noch jungen Forschungsfeld, bei dem mittels 3-D-Druck Konstrukte entstehen, in denen Zellen und Materialien in gewebeähnlichen Strukturen angeordnet sind. Langfristig könnten damit Gewebemodelle hergestellt werden, die beispielsweise als Tierversuchsersatz dienen könnten. Der SFB/TRR erforscht die Grundlagen der Biofabrikation und untersucht das Verhalten der Zellen während und nach dem Druckprozess. Zudem sollen neue Materialien und Verfahren für den 3-D-Druck von Gewebe entwickelt werden.
(Sprecherhochschule: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Sprecher: Prof. Dr. Jürgen Groll; weitere antragstellende Hochschule: Universität Bayreuth, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
Weiterführende Informationen
Eine Liste der 21 für eine weitere Förderperiode verlängerten Sonderforschungsbereiche unter: www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/sfb/liste_fortsetzungsantraege_sfb_171127.pdf
Medienkontakt:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2109, presse@dfg.de
Weitere Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Sonderforschungsbereiche.
Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Klaus Wehrberger, Leiter der Gruppe Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren, Exzellenzcluster,
Tel. +49 228 885-2355, klaus.wehrberger@dfg.de
Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten Sonderforschungsbereichen unter: www.dfg.de/sfb
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