Den Nebel lichten

Fast eine halbe Million Mikrospiegel trägt dieses mechatronische Bauteil, das seit längerem für Videoprojektionen eingesetzt wird. In einem neuen Messgerät tasten feine Lichtstrahlen Oberflächen berührungslos ab.&nbsp;<br> ©Fraunhofer IPT


Visualisierungs-System rekonstruiert Massenunfälle

Bei einer Massenkarambolage in dichtem Nebel sind im letzten Jahr auf der Autobahn A7 Würzburg-Fulda etwa 150 Fahrzeuge in einer Senke ineinander gerast. Die schreckliche Bilanz: zwei Menschen sind ums Leben gekommen, 70 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Autobahn glich nach Angaben von Helfern einem Trümmerhaufen.

Hinter dieser kurzen Meldung verstecken sich nicht nur tragische Einzelschicksale. Der Massenunfall markiert auch den Beginn eines langwierigen Prozesses. Geklärt werden müssen die Fragen der Schuld, der Schadensregelung und Haftung aller beteiligter Personen. Dazu ist es nötig, die komplizierten Abläufe kurz vor und während des Unfallgeschehens genau zu rekonstruieren. Dies ist wegen der großen Zahl der beteiligten Fahrzeuge für die Gutachter jedoch sehr schwer möglich – in Einzelfällen sogar unmöglich.

Den Ablauf eines Unfalls unter Einsatz von Computergraphik detailliert zu rekonstruieren und als dreidimensionale, interaktiv zu steuernde Computeranimation realitätsnah zu visualisieren, ist Forschern des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD gelungen. In einem Pilotprojekt mit der Autobahnpolizei Mühlhausen haben sie ein Visualisierungs-Systems entwickelt, das Gutachter in ihrer Arbeit effektiv unterstützt. Die Wissenschaftler simulierten am Computer auf Basis der Nebel-Massenkarambolage auf der A8 vom Herbst 1998, die sich im Bereich der Albhochfläche zwischen Stuttgart und Ulm ereignete und an der 124 Fahrzeuge beteiligt waren. Diese Art der optischen Unfalldarstellung ist bisher einzigartig in Europa und überzeugte Polizei und Gutachter gleichermaßen. Denn mit diesem Instrument lässt sich der Prozess der Unfallrekonstruktion nicht nur wesentlich vereinfachen und beschleunigen, sondern auch qualitativ verbessern. "Mit der Computersimulation wird automatisch auch die Plausibilität geprüft. Als Basis dienen alle Spuren, die Polizisten am Unfallort aufgenommen haben. Das hilft den Gutachtern, Fehler zu vermeiden", betont Christian Knöpfle, der Leiter des Projektes am Fraunhofer IGD.

Bislang führt die oft monatelange Untersuchung der Sachverständigen zu folgendem Ergebnis: Aktenordner voller Texte, die die Vorgänge beschreiben, ergänzt durch wenige Skizzen, die das Geschehen zu jeweils einem bestimmten Zeitpunkt wiedergeben. Aufgrund dieses Materials können Dritte den Unfallverlauf in der Regel nicht nachvollziehen, so dass ein Gerichtsverfahren die Fragen der Schuld und der Haftung nicht immer eindeutig klären kann. Eine wichtige Komponente des neuen Visualisierungs-Systems ist daher die Möglichkeit, die Abläufe vor und während des Unfalls als "Filmsequenzen" zeigen zu können. Damit können die Gutachter beispielsweise vor Gericht den Unfallverlauf eindeutig und verständlich darlegen, so dass die Schuldfrage geklärt und die Haftungsansprüche abgeleitet werden können.

Die Verkehrsdichte auf bundesdeutschen Straßen steigt stetig an. Es besteht ein großer Bedarf, Unfälle mittels dreidimensionaler Computersimulation zu rekonstruieren wie auch zu erforschen. Nur so lassen sich zum einen deren Ursache und Verlauf eindeutig klären. Zum anderen liefern die Ergebnisse wertvolle Hinweise, um mit geeigneten Maßnahmen solche tragischen Unfälle künftig zu vermeiden.
Die Forscher des Fraunhofer IGD werden ihr prototypisches Visualisierungs-System weiterentwickeln und zur Marktreife führen. Es soll zukünftig neben der Rekonstruktion auch in der Unfallforschung sowie für das Gefahren- und Sicherheitstraining von Polizei und Rettungsmannschaften eingesetzt werden.

Ansprechpartner:
Fraunhofer IGD Darmstadt
Christian Knöpfle
E-Mail: christian.knoepfle@igd.fhg.de
Telefon: 06151/155-122
Telefax: 06151/155-196

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Bernad Lukacin idw

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