Mini-Fabrik: Automatisierung nach Maß

Montage optischer Komponenten in der Minifabrik - ©Fraunhofer IPA/Anne Mildner

Viele Produkte werden immer kleiner – oft zu klein für die vorhandenen Fertigungskonzepte und -anlagen. „Advanced Modular Microproduction System (AMMS)“ heißt ein neues Konzept, das Fertigungsumgebung und Produkte wieder ins richtige Verhältnis zueinander bringt. Die AMMS-Entwickler Hannes Dobler, Tobias Gaugel und Bertram Rohrmoser wurden für ihr Mini-Fabrik-Konzept mit dem Fraunhofer IPA Innovationspreis 2001 ausgezeichnet.

Ob in der Automobilindustrie, der Biotechnologie oder der Medizintechnik – überall werden die Produkte immer kleiner. Viele etablierte Zulieferer von Automobilherstellern oder Maschinen- und Anlagenbauern kämpfen schon jetzt mit den sich verändernden Randbedingungen: Produkte wie Sensoren werden nicht nur immer kleiner und komplexer, sondern zunehmend auch in variantenreichen Kleinserien gefertigt. Die Produktionsanlagen haben mit dieser Entwicklung kaum Schritt gehalten. „Auf lange Sicht sind die heutigen Anlagen zu groß, zu unflexibel und zu teuer“, stellt Tobias Gaugel vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA fest. Er und sein Team haben daher ein neues Produktionskonzept für eine Fabrik im Westentaschenformat entwickelt: Das „Advanced Modular Micro-Production System (AMMS)“ ist eine modular aufgebaute, flexible Fertigungsanlage für kleine Produkte, die hohe Ansprüche an die Prozessräume stellen.

„Wir haben unser AMMS ganz bewusst nach dem Baukastenprinzip aufgebaut“, betont Projektleiter Tobias Gaugel. „So kann der Betreiber seine Produktion jederzeit und ohne großen Aufwand an die unterschiedlichsten Aufträge anpassen.“ Seine Vision: Der zuständige Mitarbeiter in der Fertigung holt sich in Zukunft einfach die jeweils passenden Module aus dem Schrank und stöpselt sie an der gewünschten Stelle auf der Platte fest. Der Rest passiert automatisch: Mini-Roboter und andere Einheiten melden sich über eine integrierte serielle Schnittstelle selbstständig bei der Fertigungssteuerung an. Die konfiguriert sie und bindet sie in den Prozess ein.

„Warum winzige Mikrosysteme auf riesengroßen Anlagen in noch größeren Reinräumen produzieren?“, fragt Gaugel. AMMS kann überall dort eingesetzt werden, wo extrem kleine Teile oder winzige Mengen von Medien unter ganz besonderen Bedingungen verarbeitet werden. Das Spektrum reicht von Pharmaprodukten wie Biochips über Analysevorgänge im Lebensmittellabor bis hin zu verfahrenstechnischen Prozessen oder eben auch Mikrosystemen für die Feinwerktechnik oder den Maschinen- und Anlagenbau – wie beispielsweise die Lasermodule der Firma Z-Laser Optoelektronik GmbH in Freiburg. Das mittelständische Unternehmen mit rund 40 Mitarbeitern fertigt Laserprojektionssysteme, die u. a. als Positionierhilfe für Werkstücke an CNC-Maschinen eingesetzt werden. Sie bestehen aus Laserdioden mit unterschiedlichen Ausgangsleistungen und Optiken, die je nach Anwendungsfall fest im Gehäuse verklebt oder justierbar sind. Wie viele Hersteller von Kleinserien mit großer Variantenvielfalt fertigt Z-Laser bisher fast ausschließlich manuell. Doch die Ansprüche der Kunden steigen und der Kostendruck nimmt zu. „Auch am Investitionsgütermarkt müssen wir unsere Komponenten immer günstiger anbieten“, sagt Geschäftsführer Kurt Zimmermann. Mit den derzeitigen Produktionsmethoden ist das bei gleichbleibender oder besserer Qualität der Produkte jedoch nicht zu schaffen. „Das Beste wäre eine maßgeschneiderte Automatisierungslösung“, so Zimmermann.

Eine mögliche Lösung fand er auf der Hannover Messe. Auf dem IPA-Stand montierten dort Miniaturroboter optische Sensoren der Firma Leuze electronic GmbH, Owen/Teck. Um das AMMS-Konzept vorzustellen, hatten die Stuttgarter Ingenieure in Hannover auf einer Grundfläche von 80 x 100 Zentimetern einen Ausschnitt aus dem bisher manuellen Montageablauf automatisiert. Frei bewegliche Läufer in Form luftgelagerter Linearantriebe transportieren Gehäuseteile, Linsen und Polfilter von Station zu Station. Ein Inspektionsmodul sorgt für die exakte Ausrichtung der Polfilter. Leuze stellt optoelektronische Sensoren und Systeme für die Automatisierungstechnik her.

Das mittelständische Unternehmen erzielt 60 Prozent seines Umsatzes mit Produkten, die es innerhalb der letzten fünf Jahre entwickelt hat – und auch die werden immer kleiner und komplexer. „Wir kommen immer mehr an die Grenze des manuell Machbaren“, stellt Leuze-Geschäftsführer Michael Heyne fest. „Mit ihrem Konzept optimieren die IPA-Forscher in Richtung Flexibilität, Genauigkeit und Modularität. Und das ist genau das, was man in der Montage braucht“, bestätigt er den Ansatz von Gaugel und seinem Team. Die Laserspezialisten in Freiburg sehen es ähnlich: Seit Anfang August arbeitet Produktmanager Thomas Rehm von Z-Laser mit den IPA-Ingenieuren an einer automatisierten Montage für optische Baugruppen. „Uns gefällt am AMMS-Konzept, dass man eine flexible Produktionsplattform hat, die gut erweiterbar und im Vergleich zu den bisher üblichen Spezialmaschinen relativ preiswert ist“, sagt Rehm. Ganz auf Handarbeit will er jedoch künftig genauso wenig verzichten wie Michael Heyne von Leuze. „Automatisierung: ja! Aber nur, wenn sie auch wirtschaftlich sinnvoll ist“, stellt Rehm klar.

Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Dipl.-Ing. Tobias Gaugel
Telefon: 0711/970-1596, Telefax: 0711/970-1007, E-Mail: tag@ipa.fhg.de

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Dipl.-Ing. Michaela Neuner idw

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