Sind Stoffgemische in Lebensmitteln gefährlicher als Einzelstoffe?

Vom 29. bis zum 31. Oktober 2018 findet in Berlin das 8. „Consortium Meeting” im EuroMix-Projekt statt, es wird vom BfR organisiert. EuroMix ist ein Forschungsprojekt, in dem 25 wissenschaftliche Institutionen aus Deutschland und Europa daran arbeiten, eine tierversuchsfreie experimentelle Test-Strategie zu entwickeln, um die Toxizität von Gemischen verschiedener toxikologisch relevanter Stoffe besser zu bestimmen.

Das BfR ist mit zwei Arbeitsgruppen am Projekt beteiligt. Koordiniert wird es vom niederländischen Reichsinstitut für öffentliche Gesundheit und Umweltschutz (RIVM). Im Zentrum der Arbeit stehen neben Rückständen von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen auch Kontaminanten in Lebensmitteln sowie potenziell gesundheitsschädliche Lebensmittelinhaltsstoffe.

„Ziel ist es, das Gesundheitsrisiko solcher Stoffgemische in Lebensmitteln auf wissenschaftlicher Basis realistischer abzuschätzen“, sagt BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Auf dem 8. Consortium Meeting werden zum Beispiel Strategien zur Identifizierung toxikologisch relevanter Stoffe und erste Ergebnisse aus Versuchen zur Toxizität von Mehrfachrückständen aus Pflanzenschutzmittelwirkstoffen vorgestellt.

Verbraucherinnen und Verbraucher sind tagtäglich gegenüber einer Vielzahl unerwünschter, weil potenziell gesundheitsschädlicher Stoffe exponiert. Mittels computergestützter in silico-Methoden (QSAR) und mithilfe von Expositionsmodellierungen ist es im EuroMix-Projekt gelungen, eine Strategie zur Priorisierung der für die Risikobewertung relevanten Substanzen für Mischungsexperimente zu entwickeln.

Dies ermöglicht die schnelle und notwendige Eingrenzung der umfangreichen Liste zu testender Substanzen und Substanzklassen. Da eine große Anzahl verschiedener Stoffgemische denkbar ist, hat sich EuroMix auf eine kleine Anzahl besonders relevanter Stoffgemische (key mixtures) konzentriert, die zu Beginn des Projektes identifiziert wurden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Gemischen von Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln.

Parallel wurde eine Teststrategie entwickelt, um die Wirkung von Stoffmischungen verschiedenster Klassen in Bezug auf ihre schädigende Wirkung auf die Leber, die Entwicklung des Organismus sowie das endokrine System zu testen und zu charakterisieren. Dafür wurden unter anderem neue Methoden entwickelt, die alternativ zum Tierversuch einen hohen Testdurchsatz bei günstigen Kosten ermöglichen, um eine Vielzahl relevanter Subtanzkombinationen testen zu können.

Für die Testung von Kombinationseffekten in der Leber wurde zum Beispiel ein speziell auf die Symptome der krankhaften Fettleber(Steatose) zugeschnittene Toolbox entwickelt, die mit Hilfe von aufeinander aufbauender in vitro Testverfahren eine Vorhersage von Kombinationseffekten erlaubt. Der erfolgreiche Einsatz (Proof of principle) des Systems ist bereits publiziert und erfolgte mit einem Pestizid mit bekanntem Wirkmechanismus.

Diese Toolbox wurde anschließend für die Charakterisierung von Mischungseffekten verwendet. Dabei zeigte sich speziell für die Klasse der Pestizide, dass vor allem Dosisadditionseffekte vorherrschen, für die es bereits ein Konzept zur Risikobewertung gibt. Die erfolgreich getestete Toolbox kann nunmehr für die Testung weiterer relevanter Subtanzklassen eingesetzt werden, um Substanzkombinationen auf Effekte wie Hemmung, Dosisaddition oder Synergismus zu charakterisieren bzw. zu untersuchen. Ziel ist es, die Interaktion von Substanzen in Mischungen besser bewerten zu können. Am Ende soll eine Web-basierte Auswertetoolbox zur Analyse und Gesamtbeurteilung von Mischungen zu Verfügung stehen.

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

35/2018, ende bfr-p

Media Contact

Dr. Suzan Fiack idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.bfr.bund.de

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