Biodiversität: Tod einer Pflanzenart löst Lawine aus

Verschwindet eine Pflanze aus einem Ökosystem, löst sie damit eine ganze Lawine des Artensterbens aus. Das berichtet ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Agrarökologen der Universitäten Jena und Göttingen in der Zeitschrift „Nature“.

In einem aufwändigen Versuch, dem achtjährigen „Jena-Experiment“, nahmen sie das Ökosystem Wiese unter die Lupe. „Erstmals konnte gezeigt werden, dass auf den Verlust einer Pflanzenart schneeballartig andere Arten verschwinden, was am Ende das gesamte Ökosystem destabilisieren kann“, berichtet Studienautor Christoph Scherber im pressetext-Interview.

Ohne Klee weniger Vögel

Was das konkret bedeutet, zeigt Scherber am Beispiel der Kleepflanzen. „Klee kann Luftstickstoff sehr gut fixieren und dient damit vielen Fresstieren als Nahrungsressource. Verschwindet er in einer Wiese, verändert das sprunghaft das Nahrungssystem. Einerseits bleiben dadurch Bestäuber wie etwa Bienen oder Hummeln fern, jedoch auch Fresstiere wie kleine Rüsselkäfer. Fehlen die, so finden deren Räuber wie etwa Schlupfwespen keine Nahrung mehr.“ Logische Folge sei, dass in Folge auch Vögel betroffen sind, die sonst Wespen fressen, wenngleich dies den Rahmen des Experiments sprengte.

Die selben Auswirkungen hat das Aussterben einer Art jedoch auch für das unterirdische Leben. „Auch Lebewesen, die an den Wurzeln knabbern, müssen daran glauben. Das geht hin bis zu den kleinsten Fadenwürmern“, so der Experte. Denkbar sei, dass derartige Prozesse auch die Bodenfruchtbarkeit mitbestimmt. Diese Darstellung der Folgen des Artenverlustes „in einem Guss“ ist laut Scherber weltweit erstmals gelungen.

Vielfalt schützt vor ungebetenen Gästen

Ebenso wie der Verlust von Wiesenpflanzenarten das gesamte Ökosystem Wiese beschädigt, bringt ihr Erhalt fast immer große Vorteile für andere Organismen. Nicht nur der Blütenbesuch bleibt erhalten, sondern es wird auch das Gedeihen von Unkräutern oder der Pilzbefall unterdrückt. Zudem bremst die Vielfalt neu eindringende Arten aus, da alle ökologischen Nischen bereits besetzt sind. „Deutlich zeige sich, dass der entscheidende Faktor nicht die Biomasse der Pflanzen ist, die man durch Dünger erhöhen könnte, sondern die Menge der Pflanzenarten“, so Scherber.

Die Forscher konnten dadurch auch erstmals nachweisen, dass der Artenverlust nicht zuerst die Spitze der Nahrungskette betrifft, sondern deren Grundlage. Die Lawine des Biodiversitäts-Verlustes verläuft demnach von oben nach unten. Die Ergebnisse erlauben auch Annahmen über andere Ökosystemen. „Das sind in den gemäßigten Breiten etwa der Lebensraum Wald, für den die Zahl der Baumarten einen wichtigen Ausschlag gibt, jedoch auch Systeme in Seen und im Meer wie etwa Korallenriffe“, so der Göttinger Agrarökologe.

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Johannes Pernsteiner pressetext.redaktion

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