Wie Geld uns hilft, Fremden zu vertrauen

Ein internationales Forscherteam aus der Schweiz, Italien und den USA hat in einer Studie gezeigt, wie Geld es in modernen Gesellschaften ermöglicht, das Prinzip der Kooperation zwischen Fremden zu sichern. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» veröffentlicht.

Das menschliche Überleben hing schon immer von Kooperation ab: Unsere Vorfahren lebten in kleinen, eng zusammengehörigen Gruppen, in denen sich die einzelnen Individuen gegenseitig aushalfen. Dieses Prinzip der Reziprozität scheint aber im Widerspruch mit modernen Gesellschaften, in der Millionen von einander völlig fremden Menschen zusammenleben.

Ein Team um Prof. Gabriele Camera (Universität Basel/Chapman University) hat dazu eine Reihe von Experimenten durchgeführt, wie sie in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» berichten. Um den Grad an Kooperation zwischen Fremden zu messen, konfrontierten die Wissenschaftler die Versuchsteilnehmenden wiederholt mit der Möglichkeit, einem anonymen Gegenüber zu helfen, auch wenn dadurch eigene Kosten entstehen. Die Wahl zu helfen basierte einzig auf dem Vertrauen, dass die gute Tat in der Zukunft von einem anderen Unbekannten erwidert würde. Um diesen kooperativen Prozess zu erleichtern, konnten die Teilnehmenden das Verhalten der ganzen Gruppe überwachen.

Grössere Gruppen kooperieren weniger
In einem nächsten Schritt veränderten die Wissenschaftler die Gruppengrösse mit dem Ergebnis, dass mit zunehmender Grösse der Gruppe das Vertrauen und die Kooperation abnahmen. Dies änderte sich, als die Wissenschaftler grundsätzlich wertlose Chips in das Experiment einführten. Die Teilnehmenden begannen von sich aus, Hilfe mit Chips zu belohnen und im Gegenzug für geleistete Hilfe Chips zu verlangen. Der Austausch der Chips erleichterte also die Kooperation in grossen Gruppen, weil sie die Zuverlässigkeit des jeweiligen Gegenübers symbolisierten.
Verschiedene Arten von Vertrauen
Das Experiment zeigt, dass Geld einen Mechanismus darstellt, der das Prinzip der Kooperation in grossen Gruppen von Fremden stabilisiert. Der Austausch von symbolischen Objekten hielt die Kooperation aufrecht, weil die Teilnehmenden die Chips als Kompensation für ihre gute Tat sahen. «Das Faszinierende daran ist, dass der Gebrauch von Geld die Zusammenarbeit stärkt, indem er eine Art von Vertrauen mit einer anderen, stärkeren, sich selbsterhaltenden Art von Vertrauen ersetzt», erklärt Camera.

In den kleinen Gruppen ohne Chips hatte die gegenseitige freiwillige Hilfeleistung gut funktioniert. Der Gebrauch von Chips veränderte aber in kleinen Gruppen die Motivation der Teilnehmenden: Entweder wurde Hilfe gegen Chips geleistet, oder gar nicht. Der Gebrauch von Geld hat also die Kooperation in grossen Gruppen stabilisiert, sie aber in kleinen Gruppen verringert. Laut den Wissenschaftlern zeigen die Resultate, wie das Geldsystem unser Verhalten weit über rein wirtschaftliche Aspekte hinaus beeinflusst.

Originalbeitrag
G. Camera, M. Casari, M. Bigoni
Money and trust among strangers
PNAS (2013) | doi: 10.1073/pnas.1301888110
Weitere Auskünfte
• Prof. Dr. Gabriele Camera, Universität Basel, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, E-Mail: gabriele.camera@unibas.ch

• Prof. Dr. Gabriele Camera, Chapman University, Tel. +1 714 625 2806. E-Mail: camera@chapman.edu

Weitere Informationen:
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1301888110 – Abstract

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Reto Caluori Universität Basel

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http://www.unibas.ch

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