Wochenarbeitszeiten von Frauen und Männern in vier europäischen Ländern

Wer die Uni abgeschlossen hat und Karriere machen will, muss deutlich länger arbeiten als Beschäftigte mit niedriger und mittlerer Qualifikation – aber nicht überall! In Großbritannien sind die höher Qualifizierten mit 40,6 Wochenstunden ca. 5 Stunden länger im Beruf eingespannt als Beschäftigte in einfachen Jobs, in Deutschland sind es 3,6 und in Schweden immerhin noch 2 Stunden mehr. Nur in Italien arbeiten Beschäftigte mit hoher Qualifikation 4,5 Stunden kürzer als die mit geringer und mittlerer Qualifikation. Das zeigen Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) zu den Wochenarbeitszeiten von Frauen und Männern in vier europäischen Ländern.

Einen wesentlichen Grund dafür, dass in Großbritannien, Deutschland und Schweden die Arbeitszeit mit der Qualifikation steigt, sieht der IAT-Arbeitszeitforscher Dr. Sebastian Schief darin, dass Unternehmen „ihre Investitionen in die Qualifikation der Beschäftigten durch möglichst lange `Gehirnlaufzeiten` schneller zu amortisieren trachten“. Eine Ursache für die kürzeren Arbeitszeiten von Beschäftigten mit niedriger Qualifikation ist der hohe Teilzeitanteil bei un- und angelernten Beschäftigten. Dieses Standardmuster ist in den vier Ländern jedoch unterschiedlich ausgeprägt. Kulturelle und institutionelle Bedingungen wie die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit, aber auch ausreichend Kinderbetreuungsangebote – die die Höhe der Frauenerwerbstätigkeit beeinflussen – prägen die Arbeitszeitmuster der verschiedenen Länder. So werden in Deutschland und Großbritannien leitende Angestellte und Manager von der Arbeitszeitregulierung ausgenommen, während in Schweden und Italien solche Ausnahmen nicht verankert sind. Nur in Großbritannien gibt es keine gesetzliche Regelung der Überstunden, was für die Länge der Arbeitszeit von Bedeutung sein kann.

Insgesamt sind in Großbritannien die längsten Arbeitszeiten aller untersuchten Länder zu beobachten. (Hoch Qualifizierte in Deutschland im Durchschnitt 38,2 Wochenstunden; Schweden: 37,5; Italien: 33,3). In allen vier Ländern arbeiten hoch qualifizierte Männer länger als weibliche hoch Qualifizierte. Dieser Unterschied ist in Italien mit fast 9 Stunden am größten, in Schweden (1,5 Stunden) am kleinsten. Zwischen diesen beiden Polen liegen Deutschland mit 5,4 Stunden und Großbritannien mit 4,6 Stunden Unterschied zwischen hoch qualifizierten Männern und Frauen.

Die Ergebnisse Italiens unterscheiden sich von allen anderen Ländern: Tradierte Privilegien, eine niedrige Frauenerwerbsquote und ein niedriger Anteil an höher Qualifizierten wirken sich hier aus. Für Beamte gilt in Italien eine vertragliche Wochenarbeitszeit von 36 Stunden, zum anderen liegt die Wochenarbeitszeit einer großen Zahl von LehrerInnen zwischen 15 und 20 Stunden pro Woche. Diese beiden Gruppen machen einen Großteil der niedrigen Wochenarbeitszeiten von höher Qualifizierten aus.

Während in Italien „Arbeitszeitinseln“ für bestimmte Arbeitnehmergruppen entstanden sind und Großbritannien sowie Deutschland große Unterschiede in den Arbeitszeiten in Abhängigkeit von Qualifikation und Geschlecht aufweisen, zeichnet sich Schweden durch ein hohes Maß an Egalität aus. „Hier zeigt sich, dass lange „Gehirnlaufzeiten“ kein Naturgesetz, sondern eine Frage der kulturellen und institutionellen Bedingungen sind“, so Dr. Sebastian Schief.

Ihre Fragen beantwortet: Dr. Sebastian Schief, Durchwahl: 0209-1707-152

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Claudia Braczko idw

Weitere Informationen:

http://iat-info.iatge.de

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