Experten der Versorgungsforschung diskutieren ihre Methoden

Das betonte Professor Peter C. Scriba zu Beginn des Workshops „Methoden der Versorgungsforschung am Beispiel der psychiatrischen Pharmakotherapie“ heute in Berlin. Auf dieser eintägigen Veranstaltung der Berliner Paul-Martini-Stiftung diskutieren Wissenschaftler aus Kliniken, Forschungszentren, der Industrie, dem Robert-Koch-Institut und aus Institutionen, die mit der Kostenerstattung befasst sind, über aktuelle Trends der Versorgungsforschung. Wissenschaftlich gelei-tet wird der Workshop von den Professoren Peter C. Scriba, Ludwig-Maximilian-Universität München, Ulrich Hegerl, Univer-sität Leipzig und Holger Pfaff, Universität zu Köln.

Mit klinischen Studien lassen sich wesentliche Aspekte der Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Arzneimitteltherapie unter möglichst stringenten Bedingungen erforschen. Daraus lässt sich ableiten, was das Medikament „kann“, nicht jedoch, was davon im Behandlungsalltag den individuellen Patienten erreicht, oder in welchem Maße die Therapieoption tatsächlich zur Anwendung kommt und welchen Effekt das auf die Gesundheit der Bevölkerung hat. Informationen darüber sind aber für eine bessere Versorgung erforderlich. Deshalb bearbeitet die Versorgungsforschung sowohl Fragestellungen zur individuellen Therapie als auch zur Epidemiologie. Ihre Instrumente zur Datenerhebung und -validierung, die sich von denen anderer Formen klinischer Forschung unterscheiden, werden ein wesentlicher Gegenstand des Workshops sein.

Gerade in der Psychiatrie wird die Diskrepanz zwischen kontrollierten Studien- und Alltagsbedingungen immer wieder deutlich. Denn hier werden Medikationen je nach Patient mit unterschiedlichen nicht-medikamentösen Behandlungsoptionen kombiniert. Die oft mäßige Compliance und zahlreiche soziale Faktoren spielen ebenfalls eine große Rolle für den Behandlungserfolg. Auch wird gerade bei einigen psychiatrischen Medikamenten immer wieder eine Unterversorgung, in manchen Fällen aber auch eine Überversorgung der Bevölkerung angenommen. Der Workshop wird dies unter anderem am Beispiel der Antidementiva und der Arzneiverordnung in der Jugendpsychiatrie untersuchen.

Zusätzliche Relevanz erhält die Versorgungsforschung in Deutschland durch die Kosten-Nutzen-Bewertung, die künftig für Erstattungsfragen bei einer Reihe von Arzneimitteln durchzuführen ist. Diese nutzt üblicherweise Modelle, um Einflussgrößen und Effekte zu berechnen und Vorhersagen zu treffen. In solche Modelle fließen zumeist Daten aus der Versorgungsforschung ein. Die Qualität dieser Daten bestimmt maßgeblich, wie viel Unsicherheit mit den Aussagen von Kosten-Nutzen-Bewertungen verbunden ist. Daher trägt eine hochwertige Versorgungsforschung hier zur Erfolgskontrolle für die Erreichung gesellschaftlicher Gesundheitsziele bei.

Der Workshop soll auch aufzeigen, wo die in Deutschland im internationalen Vergleich noch gering entwickelte Versorgungsforschung gezielter Förderung bedarf. So setzen sich beispielsweise hierzulande erst einige wenige Zentren damit auseinander, wie Patienten durch die Institutionen des Gesundheitssystems laufen und wie sie dort Betreuung und Hilfe finden.

Die Paul-Martini-Stiftung
Die gemeinnützige Paul-Martini-Stiftung, Berlin, fördert die Arzneimittelforschung sowie die Forschung über Arzneimitteltherapie und intensiviert den wissenschaftlichen Dialog zu Fragen der Arzneimittelforschung und -entwicklung zwischen medizinischen Wissenschaftlern in Universitäten, Krankenhäusern, der forschenden pharmazeutischen Industrie und anderen Forschungseinrichtungen sowie Behörden. Träger der Stiftung ist der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA), Berlin, mit seinen derzeit 45 Mitgliedsunternehmen.

Die Stiftung ist benannt nach dem herausragenden Bonner Wissenschaftler und Arzt Professor Paul Martini (1889 – 1964), in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die Förderung und Weiterentwicklung der klinisch-therapeutischen Forschung, die er mit seiner 1932 veröffentlichten „Methodenlehre der therapeutischen Untersuchung“ über Jahrzehnte wesentlich geprägt hat. Nach ihm ist auch der jährliche von der Stiftung verliehene Preis für herausragende klinische Forschung benannt.

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Dr. Rolf Hömke idw

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