Bochumer Mediziner transplantieren Nabelschnurblut

Zum zweiten Mal haben Mediziner der Ruhr-Universität am 16. Juli ein Kind mit bei dessen Geburt eingefrorenem Nabelschnurblut behandelt. Der drei Monate alte Säugling hatte durch eine Hirnhautentzündung einen schweren Hirnschaden erlitten, der zu spastischen Lähmungen führte.

Die Mediziner der Campus Klinik Gynäkologie (Prof. Dr. med. Arne Jensen) und der Universitätskinderklinik am St. Josef-Hospital (Direktor Prof. Dr. med. Eckhard Hamelmann) hoffen, dass Stammzellen aus dem Nabelschnurblut die geschädigten Bereiche des Gehirns zur Regeneration anregen werden.

Eine ähnliche Behandlung im Januar 2009 hatte ermutigende Ergebnisse erbracht: Der damals behandelte dreijährige Patient, der nach einen Herzstillstand unter anderem erblindet war, hat inzwischen sein Sehvermögen wiedererlangt und beginnt bereits wieder zu sprechen.

Zellen regen andere zur Teilung an

Wie genau Stammzellen aus dem Nabelschnurblut wirken, ist noch nicht erforscht. Grundlagenuntersuchungen und Ergebnisse aus Tierversuchen legen jedoch nahe, dass geschädigte Hirnnervenzellen bestimmte Eiweißstoffe freisetzen, die die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut, das als Bluttransfusion verabreicht wird, anziehen. Die Stammzellen schütten dann wahrscheinlich vor Ort im Gehirn Substanzen aus, die Entzündungsprozesse hemmen und die Narbenbildung verhindern können. Außerdem scheinen sie verbliebene gesunde Nervenzellen zur Teilung anregen zu können, so dass diese dann die Funktionen der zerstörten Zellen übernehmen können. Wie lange nach einer Hirnschädigung diese Prozesse noch funktionieren können, wissen die Forscher nicht. „Zu diesem Thema gibt es weltweit noch keine Publikationen, abgesehen von einigen Zeitungsberichten aus den USA und China, die allerdings nicht auf wissenschaftlichen Studien basieren“, erklärt Prof. Jensen. Auch bei den Bochumer Behandlungen handle es sich lediglich um Heilversuche, unterstreicht er. Studien seien in Vorbereitung.

Jetzt heißt es abwarten

Die bisherigen Erfahrungen sind allerdings ermutigend: Das dreijährige Kind, das im Januar wegen eines Hirnschadens nach einem Herzstillstand mit eigenem Nabelschnurblut behandelt worden war, hat sich gut erholt. Die Nervenfunktionen des Gehirns haben sich seit der Behandlung deutlich verbessert, das Kind hat sein Sehvermögen wiedererlangt und beginnt wieder zu sprechen. Vor der Behandlung hatte es nur jammern können. Etwa eine Woche nach dem Heilversuch gab es erste Zeichen einer Besserung. Im aktuellen Fall muss das erst drei Monate alte Kind jetzt genau beobachtet werden. „Die Stammzellen sind unseren Untersuchungen zufolge etwa ein bis zwei Tage nach der Bluttransfusion vor Ort im Gehirn“, sagt Prof. Jensen. „Wann genau eine Verbesserung der Hirnfunktion eintritt, müssen wir abwarten.“

Titelaufnahme

Meier C, Middelanis L, Wasilewski B, Neuhoff S, Roth-Haerer A, Gantert M, Dinse H, Dermietzel R, Jensen A (2006): Spastic paresis after perinatal brain damage in rats is reduced by human cord blood mononuclear cells. Pediatric Research 59(2) 244-249.

Weitere Informationen

Prof. Dr. med. Arne Jensen, Campus Klinik Gynäkologie, Universitätsstr. 140, 44799 Bochum, Tel.: 0234 588 196-0, E-Mail: arne.jensen@rub.de

Prof. Dr. med. Eckhard Hamelmann, Universitätskinderklinik St. Josef-Hospital, Alexandrinenstr. 5, 44791 Bochum, Tel.: 0234 509 2610, E-Mail: e.hamelmann@klinikum-bochum.de

Redaktion: Meike Drießen

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Dr. Josef König, idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum-bochum.de

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