Schmerz und Juckreiz: Zwei verschiedene Paar Schuhe

Juckreiz galt lange als „Unterempfindung“ des Schmerzes. Dass er das nicht ist, bewies der Nachweis eigener Nervenfasern in der Haut und im Rückenmark, die ausschließlich für den Botenstoff Histamin empfindlich sind.

Dennoch sind Schmerz und Juckreiz nicht voneinander zu trennen: Einerseits können die juckreizleitenden Nervenfasern auch brennende Schmerzen auslösen. Andererseits können im Rückenmark schmerzleitende Nervenbahnen die Weiterleitung von Juckreiz verhindern. Das berichtete PD Dr. Sonja Ständer vom Universitätsklinikum Münster beim Deutschen Schmerzkongress in Berlin.

Gegenseitiger Einfluss

„Akuter Juckreiz hat wie akuter Schmerz eine wichtige Warnfunktion: Er macht auf Fremdkörper oder Parasiten auf der Haut aufmerksam“, erklärte Dr. Ständer. Chronischer Juckreiz dagegen, der länger als sechs Wochen andauert, weist auf innere, Nerven- oder Hautkrankheiten hin. „Wir schätzen, dass etwa acht bis zehn Prozent der Deutschen von chronischem Pruritus betroffen sind“, so Dr. Ständer. Diabetes, Nieren- und Lebererkrankungen, Eisenmangel oder psychische Erkrankungen können das Jucken auslösen. Die Mechanismen, die zur Juckreizentstehung führen, sind nur zum Teil bekannt und erforscht – die Juckreizforschung ist im Vergleich zur Schmerzforschung ca. 20 Jahre jünger.

Juckreiz blockieren im Rückenmark

„Wir wissen aber jetzt, dass im Rückenmark schmerzleitende Nervenbahnen die Weiterleitung von Juckreiz verhindern können“, so Dr. Ständer. Diese schmerzleitenden Bahnen können durch Opioi-de blockiert werden. Dadurch kann wiederum die Juckreizwahrnehmung gesteigert werden. Diesen Juckreiz kann man mit Opioidantagonisten therapieren, die die Wirkung von Opioiden blockieren. „Hier bestehen also gegensätzliche Mechanismen“, erklärte die Spezialistin für Neurodermatologie. Ein ähnlicher Mechanismus ist für die Substanzen Gabapentin und Pregabalin bekannt, die auf die gleiche Weise wirken wie der körpereigene Nervenbotenstoff Gamma-Aminobuttersäure (GABA): Sowohl die Nervenzellen der Schmerz- als auch die der Juckreizleitungsbahnen sind empfindlich dafür. Gabapentin und Pregabalin können die Weiterleitung von Juckreiz im Rückenmark aufhalten.

Studien fehlen

Studien zum optimalen Einsatz von Medikamenten gegen Juckreiz gibt es noch kaum, einheitliche Empfehlungen können die Spezialisten wegen der vielen verschiedenen Ursachen für Juckreiz nicht aussprechen. „Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Juckreiz eine eigenständige Empfindung ist: Es bestehen eindeutige Unterschiede zum Schmerz“, unterstrich Dr. Ständer. „Juckreiz ist aber vom Schmerz beeinflussbar und nicht vollständig von ihm zu trennen.“

Ansprechpartnerin

PD Dr. Sonja Ständer, Klinische Neurodermatologie, Universitätsklinikum Münster, Von-Esmarch-Str. 58, Tel.: 0251/83-56501, Fax.: 0251/83-56522, E-Mail: sonja.staender@uni-muenster.de

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Meike Drießen idw

Weitere Informationen:

http://www.dgss.org

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